Skip to main content
Meinung

Innovationssystem

Politikberatung: Mehr als Expertise

Gipfel für Forschung und Innovation 2025 (Foto: David Ausserhofer)
Gipfel für Forschung und Innovation 2025 (Foto: David Ausserhofer)

Eine der zentralen Aufgaben der Leopoldina und anderer Akademien in Deutschland ist die Politikberatung. Dass Politik in der Legislative und Exekutive eine solche Orientierung braucht, ist unbestritten, nicht nur in Krisenzeiten wie Pandemien, wirtschaftlicher, sozialer und geopolitischer Umbrüche, sondern auch bei den vielen Transformationsthemen unserer Gesellschaft, die auf Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Gerechtigkeit zielen. Viel ist darüber debattiert worden, ob wissenschaftliche Politikberatung nicht anders organisiert werden sollte, so ist zum Beispiel die Etablierung einen Chief Scientific Officer ein andauernder Diskussionspunkt. Es gibt aber viel tiefergehende Gründe, die Zukunft wissenschaftlicher Politikberatung einmal genauer unter die Lupe zu nehmen als nur unter dem Blick einer organisatorischen und prozesshaften Optimierung. 

Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass wir einen rasanten Wandel dessen erleben, was ich „Neue Gemeinschaften der Wissensproduktion“ nenne. Wissenschaftliche Erkenntnisse, Methoden, Anwendungs- und Vermittlungsformate verlagern sich immer mehr aus akademischen Einrichtungen wie Hochschulen, deren Fakultäten und Forschungsgemeinschaften in disziplinen-, stakeholder- und institutionenübergreifende Entitäten, die sich in Datenräumen, Innovationsräumen, Transformationsräumen und Bildungsräumen sowie den zugehörigen Plattformen manifestieren. Hier spielen akademische Einrichtungen zwar noch eine zentrale, jedoch nicht mehr die alleinig erkenntnisproduzierende Rolle. 

Volker Meyer-Guckel
Foto: Damian Gorczany

„Wir brauchen Science Policy Hubs als agile Einheiten zur Ko-Produktion von Wissen, Strategien und Maßnahmen.“

Volker Meyer-Guckel

In einigen Disziplinen – wie Informatik, KI, Quantencomputing, Life Sciences, Geowissenschaften – ist diese Entwicklung durchdringender als in anderen. In Unternehmen entwickelte KI-Modelle schaffen nicht nur neue Erkenntnisse, sondern revolutionieren auch Forschungs- und Lehrformate. Betreiber klassischer Kommunikationsplattformen wie Alphabet, Meta oder Apple entwickeln sich mit großer Geschwindigkeit beispielsweise zu Produzenten von Gesundheitsdaten, die die medizinische Forschung, klinische Studien und die Gesundheitsversorgung bereichern und verändern. Aber auch bei großen, die Disziplinen übergreifenden Forschungs- und Transformationsfragen wandelt sich die Wissenschaft in der Kooperation mit Stakeholdergruppen, in denen Bürgerinnen und Bürger, Zivilgesellschaft und Unternehmen sowohl ihre Methoden, Erkenntnisse und Daten als auch ihre Community zur Verfügung stellen. All dies ist nicht nur Resultat technologischer Entwicklungen, sondern ebenso der zunehmenden Differenzierung unserer Wissenschaftsgesellschaft. 

Was heißt das für die wissenschaftliche Politikberatung? Ich bin überzeugt, dass es nicht länger ausreicht, Forschende aus akademischen Institutionen zusammenzurufen, um den Stand der Forschung in Empfehlungspapiere für die Politik zu überführen. Stattdessen müssen viele Wissensträgerinnen und -träger sowie Wissensproduzenten und -produzentinnen in Prozesse der wissenschaftlichen Politikberatung eingebunden werden. Zumal dann, wenn in Beratungen neben Erkenntnis und wissensbasierten Fragen auch Werteabwägungen und ethische Aspekte einfließen sollen. 

Weitere Artikel
Illustration mit Glühbirne als aufgehender Sonne
Illustration: Jens Bonnke
Aufbruchstimmung

Deutschland steht bei der Innovationskraft am Scheideweg. Wie der Wandel gelingen kann.

Podcast Cover mit Foto einer fliegenden Drohne
Illustration: unsplash/Sven Sedivy
Podcast: Sicherheitsrelevante Forschung

Eine neue Folge des Podcasts „Think&Do“ über die Rolle der Hochschulen beim Thema sicherheitsrelevante Forschung. 

Solche Prozesse zu organisieren, ist allerdings eine echte Herausforderung, für die wir noch nicht durchweg gute Lösungen gefunden haben. Der von Leopoldina, VolkswagenStiftung, Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) und Stifterverband jährlich organisierte Gipfel für Forschung und Innovation ist ein Ansatz, Wissensträgerinnen und -träger aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft im Dialog mit der Politik zusammenzuführen. Wir brauchen aber auf vielen Ebenen ähnliche Ansätze. 

Ein solcher Ansatz könnten Science Policy Hubs sein, die als agile Einheiten zur Ko-Produktion von Wissen, Strategien und Maßnahmen eingerichtet werden. Idealerweise ergänzt und verknüpft mit einer Crowdsourcing-Plattform, die der öffentlichen Verwaltung und der Fachpolitik einen zentralen und schnellen Zugang zu Forschenden und zur Expertise von Wissensträgerinnen und -träger er­möglicht, um Erkenntnisse und Lösungsoptionen zur Bewältigung spezifischer Problemstellungen zusammenzutragen. Dies könnte die klassische Politikberatung der Akademien nicht nur erweitern und ergänzen, sondern auch von diesen organisiert werden. 

Gipfel für Forschung und Innovation

Als etabliertes Forum für Politik, Wissenschaft und Wirtschaft gibt der Gipfel für Forschung und Innovation seit vielen Jahren wichtige Impuls für die wissenschaftliche Politikberatung. 2025 fand er erstmals im Rahmen des Falling Walls Science Summits statt und stand unter dem Motto „Zeit zu handeln – für mehr Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und Europa“. Schwerpunkte waren die Herausforderungen für Deutschland und Europa im internationalen Wettbewerb, Investitionen in Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz und Quantentechnologien sowie die Sicherung von Innovationsfähigkeit und Wertschöpfung. 

Der Gipfel wird vom Stifterverband, der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) und der VolkswagenStiftung organisiert. Ziel ist es, Deutschland als Ort innovationsbasierter Wertschöpfung und wissenschaftlicher Durchbrüche zu stärken und konkrete Lösungsansätze für drängende Fragen zu erarbeiten.

Dieser Text erschien zuerst „Leopoldina aktuell“, dem Newsletter der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. 

Tauchen Sie tiefer in unsere Insights-Themen ein.
Zu den Insights
Back to top