Future Skills

„Ein Hochschulabschluss allein reicht nicht mehr aus für das berufliche Leben“

Tastatur mit Symbol Doktorhut auf der Enter-Taste (Foto: iStock/SvetaZi)
Tastatur mit Symbol Doktorhut auf der Enter-Taste (Foto: iStock/SvetaZi)
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AI_VET - KI in der beruflichen Bildung“ – so lautet die erste Kursreihe auf der vom Stifterverband und von weiteren Partnern koordinierten Lernplattform KI-Campus, für die schon bald ein Micro-Degree erworben werden kann. Entwickelt hat das Zertifikat der Wirtschaftspädagoge Dirk Ifenthaler von der Universität Mannheim in Kooperation mit der Universität Stuttgart. Wer vier von ihm entwickelte modulare Micro-Credentials zum Thema KI in der beruflichen Bildung belegt und die Leistungskontrollen besteht, erhält das Micro-Degree. „Ein Hochschulabschluss allein reicht nicht mehr aus für das berufliche Leben. Die Idee der Micro-Degrees ist, das lebenslange Lernen zu dokumentieren. Das wird die Zukunft sein“, glaubt Ifenthaler. 

Kursangebot des KI Campus mit Micro-Degree
Screenshot KI Campus
Screenshot KI Campus
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Solche Kurzzertifikate, für die derzeit Begriffe wie Micro-Credentials oder Micro-Degrees (siehe Kasten) durch die Hochschulflure schwirren, könnten das nächste große Ding in der Bildungslandschaft werden. Auf der politischen Ebene in Brüssel und in Berlin werden sie bereits heiß diskutiert. „Es ist wichtig, dass jeder Mensch unabhängig von seiner persönlichen Situation flexible, modulare und leicht zugängliche Lern- und Weiterbildungsmöglichkeiten nutzen kann“, sagt die EU-Bildungskommissarin Mariya Gabriel. Die von der EU-Kommission über die EU-Initiative „Europäische Hochschulen“ geförderten Hochschulallianzen sind mitverantwortlich für die Entwicklung von Micro-Credentials. Im Juni dieses Jahres empfahl zudem der EU-Rat seinen Mitgliedstaaten, einen europäischen Ansatz für Micro-Credentials zu verfolgen, um so das lebenslange Lernen zu fördern.

Definition

Ein Micro-Credential ist ein digitales Zertifikat, das einen bestimmten, wenig umfangreichen Kompetenzerwerb und damit ein Lernergebnis transparent dokumentiert.

Mehrere Micro-Credentials können zu einem Micro-Degree zusammengesetzt werden.

Auch in Deutschland steht das Thema bereits auf der bildungspolitischen Agenda: „Micro-Credentials können einen Beitrag dazu leisten, die Hochschulen stärker in den Wissenstransfer durch Weiterbildung einzubinden und so neue Erkenntnisse und Innovation in den Arbeitsmarkt zu integrieren“, formulierte es der Bundesrat in einem Beschluss im Mai 2022. Die Bundesregierung hielt im Koalitionsvertrag fest, die Einführung von Micro-Degrees im Rahmen der wissenschaftlichen Weiterbildung zu prüfen. „Menschen suchen nach Jahren der Berufserfahrung nicht mehr das mehrjährige Masterstudium oder umfassende Fortbildungen, sondern passgenaue Angebote, die sich mit ihrem Lebensalltag vereinbaren lassen. Micro-Degrees können auch kleinere Bildungsabschnitte transparent und qualitätsgesichert zertifizieren“, sagt Jens Brandenburg (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

„Ein Hochschulabschluss allein reicht nicht mehr aus für das berufliche Leben. Die Idee der Micro-Degrees ist, das lebenslange Lernen zu dokumentieren. Das wird die Zukunft sein.“

Dirk Ifenthaler (Foto: Anna Logue)
Dirk Ifenthaler (Foto: Anna Logue)
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Dirk Ifenthaler
Wirtschaftspädagoge an der Universität Mannheim

Micro-Degrees: niedrigschwellig, zeitlich und räumlich flexibel

Politisch ist der Boden für die Entwicklung neuer Bildungsformate also bereitet. Dass sich auch in Deutschland die Hochschulen zusehends mit dem Thema beschäftigen, kann Ann-Katrin Schröder-Kralemann gut nachvollziehen. „Micro-Credentials und Micro-Degrees sind wunderbare Elemente der Weiterbildung und des lebenslangen Lernens, weil sie niedrigschwellig, zeitlich und räumlich flexibel sowie unabhängig davon sind, was Interessierte an Vorkenntnissen und zertifizierten Kompetenzen mitbringen“, sagt sie. Schröder-Kralemann betreut beim Stifterverband das Weiterbildungs-Audit – ein Projekt, bei dem dieses Jahr fünf Hochschulen ausgewählt wurden, um neue Wege in der Weiterbildung zu erkunden. Mehr als die Hälfte der 57 Hochschulen, die an dem Audit teilnehmen wollten, hatten angegeben, das Thema Micro-Credentials angehen zu wollen. Ein Grund dafür: „Wenn in der Wirtschaft oder im Non-Profit-Bereich ein Bedarf für ein spezifisches, eng umrissenes Thema entsteht, müssen schnell Angebote auf dem Markt verfügbar sein“, sagt sie. Es dauere zu lang, bis dafür weiterbildende Studiengänge entwickelt werden.
 

Den Bedarf für diese Mini-Formate hat auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) erkannt. „Die Hochschulen werden zunehmend gefordert sein, kleinere Einheiten in der wissenschaftlichen Weiterqualifizierung anzubieten. Wir brauchen Zertifikatsangebote als Ergänzung zu Bachelor, Master und Promotion“, sagt Ulrike Tippe, Präsidentin der Technischen Hochschule Wildau und bei der HRK als Vizepräsidentin zuständig für die wissenschaftliche Weiterbildung. 

Logo Weiterbildungs-Audit (Illustration: Stifterverband)
Logo Weiterbildungs-Audit (Illustration: Stifterverband)
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Das Weiterbildungs-Audit des Stifterverbandes richtet sich an Hochschulen, die ihre institutionelle Strategie im Handlungsfeld Weiterbildung weiterentwickeln möchten. Es wurde gemeinsam mit Fachleuten aus Hochschulen, Unternehmen und Zivilgesellschaft entwickelt und baut auf den erfolgreichen Strategieformaten des Stifterverbandes (Diversity Audit, Transfer-Audit, HFD Peer-to-Peer-Beratung) auf. Fünf Hochschulen wurden für eine einjährige Pilotphase ausgewählt und durchlaufen nun das Audit zum ersten Mal. Partnerin der Initiative ist die Heinz Nixdorf Stiftung.

Mehr zum Konzept und Ablauf des Weiterbildungs-Audit

Sie weist allerdings auch auf Rahmenbedingungen hin, die aus HRK-Sicht zu beachten sind. „Micro-Degrees sollten nicht zu einem kompletten Hochschulabschluss zusammengefügt werden können. Die Summe von Kleinstteilen macht nicht zwingend ein komplettes akademisches Studium aus“, sagt sie. Dafür fehlten der soziale Kitt einer Hochschule und der kritische inhaltliche Diskurs mit Lehrenden und Mit-Studierenden, der eine akademische Persönlichkeit forme.

Eine große Herausforderung ist für Tippe das Thema der Qualitätssicherung und damit das der Akkreditierung: „Wir brauchen Kriterien, um die Qualität der Angebote von Micro-Degrees zu gewährleisten und sie vergleichbar zu machen“, sagt Tippe. Mit dem Akkreditierungsverfahren stünde den Hochschulen ein bewährtes Instrument zur Seite: „Wenn Hochschulen Module aus bereits akkreditierten Studiengängen nehmen und als Micro-Degrees anbieten, könnten diese als akkreditiert gelten“, nennt sie eine Möglichkeit. Für neue Micro-Degrees sei ein schlankeres Akkreditierungsverfahren notwendig. Wie dieses aussehen könnte, steht auch auf der Agenda einer neuen HRK-Arbeitsgruppe, die sich unter Tippes Vorsitz zum ersten Mal im Herbst treffen und Vorschläge für die Anerkennung und Anrechnung der Micro-Degrees erarbeiten will.

„Micro-Degrees sollten nicht zu einem kompletten Hochschulabschluss zusammengefügt werden können. Die Summe von Kleinstteilen macht nicht zwingend ein komplettes akademisches Studium aus. “

Ulrike Tippe (Foto: Technische Hochschule Wildau)
Ulrike Tippe (Foto: Technische Hochschule Wildau)
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Ulrike Tippe
Präsidentin der Technischen Hochschule Wildau und HRK-Vizepräsidentin

Einheitliche Qualitätsstandards fehlen noch

Um in der Vielzahl der aktuellen Diskussionen und Initiativen einen Überblick und einen Einblick in die Umsetzung von Micro-Degrees und Micro-Credentials zu bieten, veröffentlichen der Stifterverband und der KI-Campus im August ein Diskussionspapier. Eines der zentralen Ergebnisse: Noch mangelt es an einem einheitlichen Qualitäts- und Begriffsverständnis für Micro-Credentials und Micro-Degrees. Doch es gibt Lösungsansätze, auf die Dana-Kristin Mah, eine der Autorinnen des Papiers und verantwortlich für Begleitforschung und didaktisch zukunftsfähige Formate auf dem KI-Campus, verweist. „Nationale wie internationale Initiativen und bildungspolitische Akteurinnen und Akteure stimmen weitgehend darin überein, dass bei der Qualitätssicherung von Micro-Credentials und Micro-Degrees bestehende Standards und wesentliche Elemente aus der Hochschulbildung als Ausgangsbasis genutzt werden sollten“, sagt sie. Ein anderes Kernergebnis: Während auf internationalen Märkten Micro-Degrees eine zunehmend wichtige Rolle spielen, etwa für zahlungskräftige Zielgruppen aus der Wirtschaft, gibt sich der deutsche Bildungsmarkt in diesem Feld noch eher zurückhaltend.

Cover des Diskussionspapiers "Micro-Credentials und Micro-Degrees" (Foto: KI Campus)
Cover des Diskussionspapiers "Micro-Credentials und Micro-Degrees" (Foto: KI Campus)
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Doch dass es funktionieren kann, weiß wahrscheinlich keiner so gut wie Dirk Ifenthaler. Vor zehn Jahren forschte er als Direktor am Centre for Research in Digital Learning an der australischen Deakin University und stellte fest, dass Unternehmen einen hohen Bedarf an diesen Minizertifikaten haben. „Die Menschen wollen Grundlagen aus dem Studium auffrischen, neue Kompetenzen erwerben oder Lücken zwischen unterschiedlichen Kompetenzbereichen füllen“, sagt er. Seitdem verfolgt Ifenthaler die Idee der Micro-Degrees. Die australische Curtin University, wo er mittlerweile parallel zur Uni Mannheim lehrt, bietet deshalb schon seit einigen Jahren Micro-Degrees beispielsweise zum Thema Cyber Security an, die sehr gut gebucht werden. An der Universität Mannheim wird er nun mit dem Micro-Degree zur KI in der beruflichen Bildung, das auch über den KI-Campus angeboten wird, erstmals ein solches Kurzzertifikat bereitstellen: „Die Testphase des Micro-Degrees bedarf zunächst keiner umfassenden organisatorischen Veränderungsprozesse, da diese in bestehende Studiengänge integriert werden können“, nennt Ifenthaler Gründe dafür, warum die Umsetzung in Mannheim zügig erfolgt sei. Für ihn ist das erst der Anfang: Ifenthaler plant, ein weiteres Micro-Degree für Schulleitende anzubieten, die ihre Kompetenzen zur Digitalisierung und zur Personalplanung erweitern möchten. Läuft alles nach Plan, könnte es schon im Herbst so weit sein.

ZUKUNFT DER HOCHSCHULBILDUNG

Der Stifterverband hat die deutschen Hochschulen mit dem Hochschul-Bildungs-Report zehn Jahre lang auf sechs Handlungsfeldern beobachtet und zieht ein enttäuschendes Fazit: Die Richtung stimmt zwar, aber das Tempo der Veränderung ist verheerend langsam. Wie sich die Hochschulbildung verbessern lässt und was der Stifterverband in diesen Bereichen tut, können Sie hier auf MERTON nachlesen.

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