Future Skills

Ein gehöriges Quantum Wissen

Illustration: Bernd Struckmeyer
Illustration: Bernd Struckmeyer
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Vor 120 Jahren gerieten Physiker an ihre Grenzen: Sie erkannten, dass die ihnen bekannten Theorien und Modelle scheiterten, wenn sie zum Beispiel die Eigenschaften des Lichts oder den Aufbau von Atomen beschreiben wollten. Damals begann mit berühmten Wegbereitern wie Max Planck und Werner Heisenberg der Siegeszug der Quantenphysik. Ihre Regeln ergaben nicht nur auf der Ebene kleinster Teilchen mehr Sinn als die klassische Physik. Mit ihr war man auch in der Lage, mathematische Probleme neu anzugehen.

In den Schulen ist diese Disziplin aber noch nicht angekommen. Die 18-jährige Shui-Wan Cheng erfuhr zum ersten Mal davon, als ihr Vater ihr ein Video über Quantencomputing zeigte. Und zum zweiten Mal, als eine Lehrerin sie fragte, ob sie nicht Interesse hätte, bei einer Schülerakademie zu dem Thema mitzumachen. „Diese Chance, mal mit Experten in Kontakt zu kommen, wollte ich nutzen“, sagt die Abiturientin vom Gymnasium Corvinianum im niedersächsischen Northeim. So wurde sie zur Teilnehmerin der ersten QuantenAkademie, die die Stifterverbands-Tochter Bildung & Begabung im Sommer 2022 veranstaltete.

„Die Quantenwelt stellt einige unserer täglichen Erfahrungen auf den Kopf. Wir müssen diese Welt jungen Leuten frühzeitig öffnen und dabei auch eine wirtschaftliche Perspektive geben.“

Sebastian Luber
Senior Director Technology & Innovation. Infineon Technologies AG

Quantencomputing: Die Lösung für die komplexen Herausforderungen unserer Zeit?

Die Onlineakademie fand vom 3. bis 11. August 2022 statt und wandte sich an Schülerinnen und Schüler der Oberstufe, die noch mindestens ein Jahr Schule vor sich hatten. Sie konnten sich selbst bewerben oder wurden von ihren Schulen als besonders motivierte Kandidatinnen und Kandidaten vorgeschlagen. Die angebotenen Themen der Akademie hatten es in sich: Von der Quanteninformationstheorie über Quantenoptik und ihre Anwendung, Fragen der Kryptografie bis hin zu philosophischen Diskussionen stellten die Kurse hohe intellektuelle Ansprüche. Außerdem setzten sie die Bereitschaft voraus, sich schon Monate vorher in das Thema einzulesen. Warum ein so komplexes Thema schon für Schülerinnen und Schüler aufbereiten?

„Die Quantenwelt stellt einige unserer täglichen Erfahrungen auf den Kopf“, sagt Sebastian Luber, verantwortlich für das Thema Quantencomputing bei Infineon. „Diese Welt jungen Leuten frühzeitig zu öffnen und dabei auch eine wirtschaftliche Perspektive zu geben, sehen wir als wichtig und lohnend an.“ Die Firma, die gemeinsam mit IBM die Akademie möglich gemacht hat, hat im letzten Jahr den Prototypen eines industriell gefertigten Quantenchips vorgestellt. Damit gehört sie zu den zahlreichen Akteuren, die diese Schlüsseltechnologie nach vielen Jahren der Forschung in die breite Anwendung überführen wollen. Die erwarteten Möglichkeiten sind riesig: „Dank der enormen Rechenpower wird Quantencomputing das Potenzial zugesprochen, uns einen Schub bei der Lösung komplexer Probleme zu geben“, erklärt Luber. „Dazu gehören zum Beispiel eine schnellere Medikamentenentwicklung, Lieferkettenoptimierung oder die Reduzierung des Energieverbrauchs durch bessere chemische Katalysatoren.“ Doch die Voraussetzung dafür ist qualifiziertes Personal. Und das steht mittelfristig nicht in großer Zahl zur Verfügung.

Quantum Skills Logo
Quantum Skills Logo (Logo: Stifterverband)
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Quantum Skills

Die digitale QuantenAkademie von Bildung & Begabung ist Teil des Stifterverband-Programms Quantum Skills. Das Ziel: Junge Menschen frühzeitig für Zukunftsthemen wie Quantentechnologie begeistern und in Schule und Hochschule die dafür nötigen Kompetenzen vermitteln. Denn fest steht: Quantencomputing und andere technologischen Feldern werden in der Arbeitswelt von morgen immer wichtiger werden. Neben außerschulischen Angeboten wie den Akademien von Bildung & Begabung fokussiert sich das Programm des Stifterverbandes daher vor allem darauf, Quantencomputing in die akademischen Curricula sowie in der Lehrerbildung zu verankern. 

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Denn für die Vermittlung dieser „Future Skills“, erklärt Ulrike Leikhof, Leiterin des Bereichs „Akademien“ bei Bildung & Begabung, müssten sich erst langsam die Ausbildungsstrukturen ändern: Das Thema müsse den Weg von der physikalischen Forschung in die Lehramtsausbildung finden. Das Ziel: Schülerinnen und Schüler frühzeitig für das Thema zu begeistern, damit diese sich dann für ein Hochschulstudium mit dem entsprechenden fachlichen Schwerpunkt entscheiden. Die QuantenAkademie versucht diesen Prozess ein Stück weit zu beschleunigen: Sie bringt junge Forscherinnen und Forscher mit Schülerinnen und Schülern zusammen, sodass der Wissenstransfer ohne Umweg stattfinden kann.

„Unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind sehr wissbegierig und saugen förmlich auf, was wir ihnen anbieten.“

Ulrike Leikhof (Foto: Bildung & Bebabung/Nina Senger-Mertens)
Ulrike Leikhof (Foto: Bildung & Bebabung/Nina Senger-Mertens)
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Ulrike Leikof
Leiterin des Bereichs „Akademien“ bei Bildung & Begabung

QuantenAkademie: Die Messlatte liegt hoch

So wurden in acht Tagen 64 Teilnehmerinnen und Teilnehmer von zehn Kursleitungen in ihrem gewählten Teilgebiet auf den neuesten Stand gebracht. Startpunkt waren die physikalischen und mathematischen Grundlagen. „Denn der Schulstoff“, bemängelt Walter Mickel, Leiter der QuantenAkademie, „reicht dazu nicht aus.“ Dieses grundlegende Rüstzeug nahm rund die Hälfte der Kurszeit in Anspruch. Darauf aufbauend stieg das Niveau dann rasant an: Ziel sei es gewesen, erklärt Mickel, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ende wissenschaftliche Artikel verstehen könnten, die bezogen auf ihr Teilgebiet dem Niveau eines Masterstudiums entsprechen.

Dass die Messlatte so hoch liegt, gehört zum Konzept der Akademie, erklärt Ulrike Leikof: „Begabte Schülerinnen und Schüler bekommen immer die Rückmeldung: Das war sehr gut. Aber daran können sie nicht wachsen.“ Während der Akademie kämen sie zum ersten Mal in einem Forum zusammen, wo sie sich strecken müssten, um mitzuhalten. „Und das tut ihnen gut.“ Überforderung, sagt Walter Mickel, sehe er selten. „Unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind sehr wissbegierig und saugen förmlich auf, was wir ihnen anbieten.“

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Tommaso Calarco, 2022. (Foto: Forschungszentrum Jülich/Sascha Kreklau)
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Shui-Wan Cheng ist kein Physik-Freak. Sie hat im Abitur die Fächer Mathematik, Chemie, Englisch, Geschichte sowie Werte und Normen belegt. Und gerade für das letzte Fach versprach sie sich Anregungen aus dem philosophisch ausgerichteten Zweig der Akademie. In ihrem Kurs „Kant würfelt nicht – Gott schon: Gibt es Kausalität?“ verbrachte sie viel Zeit mit dem Studium und der Diskussion komplexer Texte, die die Erkenntnislehre des Philosophen Immanuel Kant Aspekten der Quantenphysik gegenüberstellten. Der digitalen Form der Lehre, die sie im pandemiebedingten Unterricht ihrer Schule kennengelernt hatte, stand Shui-Wan Cheng kritisch gegenüber. Von der Onlineakademie hingegen, sagt sie, war sie „positiv überrascht“. Die ermöglichte zum Beispiel mittels Lifestreaming eine Onlineexkursion zu einem Quantencomputer bei IBM in Zürich sowie die Einbindung hochrangiger IBM-Expertinnen und -Experten und zusätzlicher Workshops in das Akademieprogramm. Aber auch ein Kennenlernen der Jugendlichen über die eigentlichen Kurse hinaus.

In den „KüAs“, den freiwilligen, kursübergreifenden Aktivitäten, blieb viel Raum für informelle Begegnung: beispielsweise bei einer Onlineschnitzeljagd, dem „Zukunftsabend“, an dem die Kursleiterinnen und -leiter von ihrem Studium und ihrer beruflichen Entwicklung berichteten, oder dem bunten Abend, an dem die Jugendlichen gemeinsam kochten und sich gegenseitig die Ergebnisse von Projekten außerhalb der Kurszeit vorstellten. Mit digitalem Malen, einem Fotowettbewerb oder einer gemeinsamen Komposition von elektronischer Musik war hier auch viel Kreativität im Spiel. Und auch von diesen Akademieergebnissen, sagt Physiker Mickel, war er sehr beeindruckt.

DER STIFTERVERBAND WILL MINT-POTENZIALE HEBEN

Der Stifterverband ist überzeugt: Um Wirtschaft und Gesellschaft resilient und zukunftsfähig auszurichten, spielt die MINT-Bildung (MINT= Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) eine entscheidende Rolle. Um die MINT-Potenziale der Gesellschaft zu heben, setzt sich der Stifterverband gemeinsam mit Partnern unter anderem dafür ein, ausreichend MINT-Fachkräfte auszubilden, zu halten und mit entsprechenden Zukunftskompetenzen zu qualifizieren. Dazu fördert er aktuell unter anderem 

Eine Übersicht aller Stifterverbands-Aktivitäten im Bereich MINT gibt es hier.

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