Linda Breitlauch: Erlebnisse in der virtuellen Welt

"Es hat eine gewisse Faszination, weil es so einen unheimlich hohen Realitätsgrad hat. Man gewöhnt sich aber durchaus an diese Erfahrung."

Video abspielen
Linda Breitlauch: Erlebnisse in der virtuellen Welt (Video)
Youtube

Man setzt die Virtual-Reality-Brille auf, und plötzlich ist man an einem ganz anderen Ort: Gegen diese Form von Hyperrealität ist 3D-Kino kalter Kaffee. Linda Breitlauch, Professorin für Game Design an der Hochschule Trier, wirft einen Blick voraus auf die technologische Entwicklung, die nicht nur für Spieleentwickler, sondern auch für die Bildung ganz neue Möglichkeiten schafft. Doch es gibt noch einen entscheidenden Schritt, ohne den die virtuellen Welten vielleicht doch nicht den Durchbruch schaffen werden.

Jede Woche neu beim Stifterverband: 
Die Zukunftsmacher und ihre Visionen für Bildung und Ausbildung, Forschung und Technik

Autorin: Corina Niebuhr
Produktion: WebclipMedien Berlin
für den YouTube-Kanal des Stifterverbandes

Das Interview entstand am Rande der Learntec 2016 in Karlsruhe.

Transkript des Videos

Meine erste Erfahrung war: Ich springe in ein Becken Wasser, also in ein Schwimmbecken, und mir ist sofort schlecht geworden.

Wenn man sich da mal so mit beschäftigt hat, in so einem virtuellen Raum, und diese Inversion erfahren hat, die schwer zu erklären ist, merkt man, dass es eine Form von Hyperrealität hat, also eine gewisse Faszination, weil es anders ist. Auf der anderen Seite, weil es eben auch so einen unheimlich hohen Realitätsgrad hat, dass man sich wirklich wundert. Man setzt die Brille auf, und plötzlich ist man an einem ganz anderen Ort, also so ähnlich wie damals mit den 3D-Kinos, als die dann aufkommen und man das Gefühl hatte: Wow, das ist jetzt aber echt faszinierend, beeindruckend, merkt man: Man gewöhnt sich durchaus daran, an diese Erfahrung.

Diese Inversion, die da entsteht, ist so eine, naja, stark grafische Inversion, also sprich: Ich bin quasi komplett in diesem Raum drin, kann mich auch darin bewegen. Technologie ist da wirklich ein Riesenthema. Und deswegen ist es auch jetzt gerade so sehr angekommen, weil es ja auch einen Bedarf gibt sozusagen, in dieser virtuellen Welt dann auch tatsächlich zu interagieren. Also, ohne Tastatur, ohne Controller, ohne Maus oder sowas, sondern vielleicht einfach nur noch mit Datenhandschuhen oder irgendwann sogar noch nicht mal mehr das, weil es gibt eben die Möglichkeit, über Motion Leads zum Beispiel meine Hände auch zu virtualisieren, und dann kann ich in diesem Raum auch wirklich etwas tun.

Was ja jeder kennt letzten Endes, ist: Man hat auf seinem Handy zum Beispiel die Möglichkeit, QR-Code einzulesen. Und dann kommt irgendwie, was weiß ich, ein Link zu einer Webseite oder es wird ein 3D-Modell abgebildet. Letzten Endes ist das ja nichts anderes als eine Verknüpfung zu einer Datenbank, die dann wiederum eine Anforderung losschickt und sagt: Ich projiziere jetzt etwas. Und die Problematik, etwas in einen Raum zu projizieren, ist im Prinzip ja so etwas wie Holographie. Und Holographie in dem Sinne gibt es natürlich nicht. Was es aber natürlich gibt, ist die Möglichkeit: Ich schaue durch etwas durch. Was ich mit Handy und zum Beispiel irgendwelchen Tablets ja schon vor Jahren machen konnte. Ich schaue dann halt durch mein Tablet durch und sehe dann eine zusätzliche Ebene in der Realität projiziert. Das heißt: Ich muss natürlich immer noch durch mein Gerät schauen. Und das Gerät wird jetzt mehr und mehr ersetzt durch sowas wie Brillen, die nichts anderes tun als das, nämlich der existierenden Realität eine virtuelle hinzufügen, so als hätte ich einen Motorradhelm auf, und in diesem Motorradhelm wird jetzt irgendwas projiziert. Wir kennen das vielleicht von Autos, so HuDs, wo dann vielleicht die Geschwindigkeitsanzeige in die Windschutzscheibe reinprojiziert wird. Im Grunde genommen ist es eigentlich nichts anderes. Also, ich nehme eine zusätzliche Ebene und projiziere in diese Ebene allerdings sozusagen über die Brille quasi 3D-Objekte in den Raum. Also, sie wirken dreidimensional. Und der Schritt, vor dem wir jetzt stehen, ist, dass ich sie eben auch anfassen und modellieren kann, dass ich sie verändern kann. Es ist natürlich technologisch hochkomplex, aber inzwischen möglich. Und wichtig ist ja nur, dass ich sozusagen eine Rückkopplung bekomme. Ich interagiere mit diesem virtuellen Raum ja nicht mit meinen echten Händen, sondern mit meinen virtualisierten Händen. Das heißt, ich muss auch eine Rückprojektion haben. Ich muss zum einen die Objekte im Raum platzieren können und immer schauen: Wo ist der Benutzer? Wo steht er gerade? Wo schaut er gerade hin? Und da muss ich dann auch die Objekte hinplatzieren und auch richtig skalieren, dass sie nicht zu groß, nicht zu klein sind. Und auf der anderen Seite muss das System aber auch sehen: Was tue ich zum Beispiel gerade mit meinen Händen? Oder eben im Fall, ich bin in so einem Rad und kann da laufen, meine Bewegung projiziert er zurück in den Raum, so dass ich theoretisch durch einen Wald laufen kann, durch einen virtuellen, und kann aber auch die Bäume anfassen. Das bedeutet natürlich eine Unmenge von Daten, die hin- und herprojiziert werden müssen, um das überhaupt möglich zu machen. Und die entsprechenden Systeme müssen das abbilden können. Und das wird sicher noch eine Weile dauern, bis das so perfektioniert ist, dass man vielleicht kaum noch einen Unterschied merkt oder dass es uns so vorkommt wie 3D-Kino. Aber dennoch bedeutet das ja dann im Umkehrschluss, dass ich nicht nur dieses Gefühl von Dreidimensionalität habe, 3D-Stereoskopie, sondern dass ich umgekehrt auch sozusagen mich in diese Welt hineinbewegen kann und in ihr wirklich interagieren kann. Und das wäre tatsächlich eine ganz, ganz neue Dimension.

Das kennen wir natürlich aus dem Bereich Gaming, das ist klar, weil da hat es natürlich ganz spannende Anwendungen. Es gibt gerade ein neues System von einem Spieleentwickler in Frankfurt. Die haben jetzt erstmals so ein Spiel gemacht, in dem ich klettern kann. Also, ich habe Handschuhe im Prinzip, sowohl in der realen als auch in der virtuellen Welt, und kann Wände hochklettern. Also, einfach um sozusagen ein Gefühl zu vermitteln: Wie könnte das denn sein? Das ist auch relativ ungefährlich, weil selbst wenn man abstürzt, passiert einem ja nichts. Und diese Experimentierfreudigkeit, die damit einhergeht, dass ich Dinge tun kann in der virtuellen Welt, die ich in der wirklichen Welt nicht so vielleicht machen kann oder nicht immer machen kann, erschließen natürlich extrem viele Möglichkeiten. Aber wie gesagt, die Technologie ist zwar extrem weit fortgeschritten, Virtual Reality, Head-Mounted Reality, sind alles keine neuen Begriffe, aber sie waren nie so zugänglich wie sie das heute sind, also bis hin dazu, dass jeder Anwender sich eine kaufen kann, also eine Oculus Rift beispielsweise. Die sind ja auf dem Markt und sind theoretisch für jeden zugänglich. Man kann sie sich kaufen, verwenden. Es gibt wahnsinnig viele Anwendungen schon in dem Bereich und eben jetzt langsam auch im Lernbereich. 

Also, nehmen wir von mir aus sowas wie physikalische Experimente oder Chemie oder was auch immer, die man eben nicht so ohne weiteres durchführen kann, ohne vielleicht wahnsinnig teure Labore zu haben, die man aber mit geschicktem Interface Design, Game Design, umsetzen könnte. Es gibt ein paar Ansätze im Bereich Forschung, also zum Beispiel gerade so im Bereich Chemie, Physik. Die versuchen genau solche Sachen umzusetzen, die dann quasi in der virtuellen Welt entstehen können aufgrund von Daten, die es aus der Realität gibt, die aber übersetzt werden in virtuelle Objekte, Labore usw. Und wo man Experimente machen könnte, eben nur im rein virtuellen Raum, ohne dass es unglaublich viel kostet und auch für jeden erfahrbar ist. 

Geschichtsunterricht basiert sozusagen auf Dingen, die alle vorbei sind. Und man könnte sie sich wieder zurückholen, sozusagen sie visualisieren, sie wieder erlebbar machen. Man kann Erdkunde sozusagen bespielen, indem ich sage: Ich reise einfach an das andere Ende der Welt. Und das tue ich virtuell, und das kann ich eben in der Schule, im Schulunterricht nicht ohne Weiteres tun.