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Therapien aus Forschungsdaten

24.11.2020

Der Wissenschaftspreis des Stifterverbandes "Forschung in Verantwortung" geht in diesem Jahr an Maria-Esther Vidal, Leiterin der Forschungsgruppe "Scientific Data Management" an der TIB – Leibniz-Informationszentrum für Technik und Naturwissenschaften in Hannover. Die Auszeichnung würdigt die Arbeiten der Informatikerin zum wissenschaftlichen Datenmanagement.

Der mit insgesamt 50.000 Euro dotierte Preis wurde im Rahmen der in diesem Jahr virtuell stattfindenden Jahrestagung der Leibniz-Gemeinschaft verliehen.

Wissenschaftspreis "Forschung in Verantwortung" (Logo)

Das Management großer Mengen von Forschungsdaten ist eine der zentralen Herausforderungen für die Wissenschaft. Daten, die aus unterschiedlichen Quellen stammen, müssen aufbereitet, zusammengeführt und nutzbar gemacht werden, um aus ihrer Kombination neue Erkenntnisse zu sammeln. Maria-Esther Vidal widmet sich diesem Thema mit Forschungen zur Optimierung von Datenbankabfragen, zur Visualisierung von Daten durch Wissensgraphen zum Semantic Web, einer Anreicherung von Webdaten mit strukturierten Daten sowie zur Big-Data-Analyse.

Einen besonderen Fokus legt ihre Arbeit auf das semantische Datenmanagement in Biomedizin und Lebenswissenschaften. Das Zusammenführen umfangreicher und heterogener Datensätze verspricht viele Ansätze für neue Behandlungsmethoden von Krankheiten. So arbeitet Maria-Esther Vidal zum Beispiel an der Transformation genomischer Rohdaten (OMICS) in semantische Wissensgraphen, die individuelle Signaturen von Patienten beschreiben und damit personalisierte Behandlungsmethoden auf Basis von Mustern genomischer Varianten ermöglichen. Ein konkretes Anwendungsbeispiele in der Medizin ist die Erforschung von Medikamenten-Wechselwirkungen oder verschiedener sonstiger Faktoren auf die Lebenserwartung bei Lungenkrebserkrankungen.

Die Kombination von Informationen aus sehr unterschiedlichen Quellen von wissenschaftlichen Veröffentlichungen über statistischen Auswertungen und genetischen Informationen bis hin zu chemischen Strukturformeln erlauben systematische Analysen und Vorhersagen, wo sie bisher meist nur ad hoc und unsystematisch möglich waren. Maria-Esther Vidal hat dafür eine Plattform entwickelt, die mehr als 40 verschiedene Datenquellen verbindet und mittels Wissensgraphen und maschinellem Lernen Muster entdeckt und verständlich und vorhersagbar macht. Aktuell hat die Arbeitsgruppe von Maria-Esther Vidal zusammen mit einer griechischen Forschungsgruppe diese Methode angewendet, um auf Basis von wissenschaftlicher Fachliteratur und Datenbanken einen Wissensgraphen zu Wechselungswirkungen von Medikamenten zu entwickeln, die für die Behandlung von Covid-19 in Frage kommen.

Esther-Maria Vidal (Foto: Christian Bierwagen)
Foto: TIB/Christian Bierwagen
Die Preisträgerin Esther-Maria Vidal

 
Die informatischen Techniken von Maria-Esther Vidal zur Strukturierung von Wissen und zur Datenintegration sind aber nicht auf Anwendungen in der Medizin beschränkt, sondern grundsätzlich in vielfältigen multidisziplinären Kontexten auch über die Wissenschaft hinaus, etwa in der Industrie, einsetzbar. Alle von Maria-Esther Vidals Arbeitsgruppe entwickelten Software-Werkzeuge stehen als Open-Source-Software für Forschung und Anwendung weltweit frei zur Verfügung.

"Mit Maria-Esther Vidal ehren wir eine exzellente Wissenschaftlerin, die mit ihren herausragenden und hoch relevanten Forschungsarbeiten in die Gesellschaft wirkt und auf ganz besondere Weise Verantwortung übernimmt", betont Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes. "Die multidisziplinären Forschungsthemen von Maria-Esther Vidal sind Grundlagen für Innovationen in einer datengetriebenen Welt. In ihrer Arbeit lebt sie das Prinzip der Offenheit. Mit ihrem großartigen Engagement für Open Science leistet Maria-Esther Vidal einen außerordentlichen Beitrag, um Wertschöpfungspotenziale im Innovationssystem zu heben und nutzbar zu machen."

Der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Matthias Kleiner ergänzt: "Die Auszeichnung von Maria-Esther Vidal zeigt neben ihrer individuellen Exzellenz den fortschreitenden Wandel in der Wissenschaft, dass wir gesellschaftlichen Herausforderungen wie etwa in der Medizin vor allem durch multidisziplinäre Ansätze und intelligente Analyse großer Datenmengen erfolgreich begegnen können. Ganz besonders freue ich mich, dass wir eine Wissenschaftlerin auszeichnen, die an einer Infrastruktureinrichtung arbeitet und beweist, dass sich wissenschaftliche Bibliotheken in der Leibniz-Gemeinschaft längst zu hervorragenden Informationsinfrastrukturen mit globaler Perspektive entwickelt haben, die noch dazu Orte exzellenter Forschung sind."

Wissenschaftspreis "Forschung in Verantwortung": Preisverleihung 2020 (Foto: Leibniz-Gemeinschaft)
Foto: Leibniz-Gemeinschaft
Preisverleihung am 24. November 2020 mit Volker Meyer-Guckel, stellv. Generalsekretär des Stifterverbandes, Preisträgerin Maria-Esther Vidal und Matthias Kleiner, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft (v.li.)

Prof. Dr. (Univ. Simon Bolivar) Maria-Esther Vidal stammt aus Venezuela und leitet seit 2017 die Forschungsgruppe "Scientific Data Management" an der TIB – Leibniz-Informationszentrum für Technik und Naturwissenschaften in Hannover. Sie ist zudem Mitglied des Forschungszentrums L3S an der Leibniz Universität Hannover und (zurzeit beurlaubte) ordentliche Professorin an der Universidad Simón Bolívar in Caracas (Venezuela). Maria-Esther Vidal hatte Gastprofessuren an mehreren Universitäten wie zu Beispiel in Maryland (USA), Madrid, Barcelona, Karlsruhe und Nantes. Sie hat bereits mehr als 170 begutachtete Publikationen zu Semantic Web, Datenbanken, Bioinformatik und Künstlicher Intelligenz veröffentlicht, die mehr als 3.000 Mal zitiert wurden.

Der Wissenschaftspreis des Stifterverbandes "Forschung in Verantwortung" ist mit 50.000 Euro dotiert und wird auf Vorschlag der Leibniz-Gemeinschaft für hervorragende Gesamtleistungen von Forscherinnen und Forschern vergeben, die sich durch besondere gesellschaftliche Relevanz und gute Umsetzbarkeit auszeichnen. Durch die Preisvergabe sollen die Leistungen der Wissenschaft für die Allgemeinheit sichtbar werden. Preiswürdig sind Forschungsarbeiten, deren Ergebnisse die Grundlagen für innovative Anwendungen in Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft bilden. Der Preis wird alle zwei Jahre im Rahmen der Jahrestagung der Leibniz-Gemeinschaft verliehen.

Pressekontakt

Peggy Groß (Foto: Damian Gorczany)

Peggy Groß

ist Pressesprecherin des Stifterverbandes.

T 030 322982-530

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Ansprechpartnerin an der TIB – Leibniz-Informationszentrum
Technik und Naturwissenschaften:

Dr. Sandra Niemeyer
T 0511 762-2772
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Ansprechpartner bei der Leibniz-Gemeinschaft:

Christoph Herbort-von Loeper
T 030 206049-48
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Im Stifterverband haben sich rund 3.000 Unternehmen, Unternehmensverbände, Stiftungen und Privatpersonen zusammengeschlossen, um Wissenschaft und Bildung gemeinsam voranzubringen. Mit Förderprogrammen, Analysen und Handlungsempfehlungen sichert der Stifterverband die Infrastruktur der Innovation: leistungsfähige Hochschulen, starke Forschungseinrichtungen und einen fruchtbaren Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert der Stifterverband jährliche eine viertel Million junger Talente. Darüber hinaus betreut er rund 670 Stiftungen mit einem Gesamtvermögen von über 3,1 Milliarden Euro.

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 96 eigenständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen  unter anderem in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen knapp 21.000 Personen, darunter etwa die Hälfte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.

Die TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek in Hannover versorgt als Deutsche Zentrale Fachbibliothek für Technik sowie Architektur, Chemie, Informatik, Mathematik und Physik Wissenschaft, Forschung, Industrie und Wirtschaft mit Literatur und Information in gedruckter und elektronischer Form. Die TIB baut ihre Rolle als deutsches Informationszentrum für die Digitalisierung von Wissenschaft und Technik stetig weiter aus. Für Fach- und Forschungscommunities stellt sie unter www.tib.eu wissenschaftliche Inhalte, digitale Dienste und Methodenkompetenz bereit, um die verschiedenen Phasen des wissenschaftlichen Arbeitens zu unterstützen. Über ihr Recherche- und Bestellportal bietet die Bibliothek Zugriff auf mehr als 95 Millionen von der TIB indexierte technisch-naturwissenschaftliche Datensätze. Zu dem exzellenten qualitätsgeprüften Bestand zählen auch Wissensobjekte wie audiovisuelle Medien, 3D-Modelle und Forschungsdaten. Mit eigens entwickelten Suchtechnologien können im AV-Portal der TIB die Inhalte wissenschaftlicher Videos aus Technik und Naturwissenschaften zielgenau durchsucht werden. Als forschende Bibliothek betreibt die TIB angewandte Forschung und Entwicklung, um neue Dienstleistungen zu generieren und bestehende zu optimieren. Die Schwerpunkte liegen auf Data Science, nicht-textuellen Materialien, Open Science und Visual Analytics.