Gezielt neue Zielgruppen
erschließen

Masterplan: Lehrkräftebildung neu gestalten

 

 
Der Mangel an qualifizierten Lehrkräften ist eine der größten Herausforderungen für unser Bildungssystem. Wenngleich die Datenlage unbefriedigend ist und Kultusministerkonferenz, Wissenschaftler:innen    sowie Lehrerverbände über die genaue Höhe der Deckungslücke streiten: Fest steht, dass uns der Lehrkräftemangel noch bis mindestens 2035 begleiten wird und es insbesondere an Lehrkräften für alle Schulformen der Sekundarstufe I (Lehramtstyp 3) und berufliche Schulen (Lehramtstyp 5) sowie für die MINT-Fächer an allen Schulen fehlt.

Durch eine Öffnung der Zugangswege zum Lehrkräfteberuf und eine gezielte Ansprache bisher unterrepräsentierter Personengruppen (beispielsweise internationale Lehrkräfte, Personen mit Berufserfahrung in anderen Berufen) sowie die Einbeziehung weiterer Hochschulen können zusätzliche Personen für den Lehrkräfteberuf gewonnen werden. Dabei ist wichtig, diese Personengruppen nicht nur als „Notnagel“ in Zeiten des Lehrkräftemangels anzusehen, sondern als eine Bereicherung für Schulen und ihre Kollegien, und ihnen eine attraktive berufliche Perspektive zu eröffnen.
 

 

Zugänge erweitern

Trotz aller länderspezifischen Unterschiede im Detail gibt es bundesweit im Prinzip nur einen Weg in den Schuldienst: Lehrkraft kann in der Regel nur werden, wer ein grundständiges Lehramtsstudium mit mindestens zwei Unterrichtsfächern sowie den anschließenden Vorbereitungsdienst absolviert hat. Ausnahmen von dieser Regel werden bisher nur gemacht, wenn der Lehrkräftebedarf mit ordnungsgemäß qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern nicht gedeckt werden kann. Personen, die sich nicht zu Studienbeginn für ein lehramtsbezogenes Studium entscheiden können oder wollen, gehen dadurch dem Pool potenzieller Lehrkräfte tendenziell verloren.

Die Einführung eines Ein-Fach-Studiums als zusätzliche Alternative würde die Durchlässigkeit zwischen fach- und lehramtsbezogenen Studiengängen erhöhen und die Anerkennung internationaler Lehramtsabschlüsse erleichtern.
  

Folgende Maßnahmen sind dafür geeignet:

verantwortlich für die Umsetzung:

1. Ein-Fach-Lehrkräfte als reguläre Alternative an weiterführenden Schulen ermöglichen 
Damit Ein-Fach-Lehramtsbefähigungen bundesweit anerkannt werden und die Freizügigkeit gewährleistet ist, müssen die Rahmenvereinbarungen über die Ausbildung und Prüfung für ein Lehramt der Sekundarstufe I beziehungsweise Sekundarstufe II (allgemeine bildende Fächer/Gymnasium) sowie Sekundarstufe II (berufliche Fächer/berufliche Schulen) geändert werden.

Kultusministerkonferenz (KMK)

2. Ein-Fach-Lehrkräfte in Mangelfächern ermöglichen
In einer Erklärung zum Lehrkräftebedarf vom 17. März 2023 hat die KMK verabredet, die Möglichkeit der (gegebenenfalls auch temporären) Beschäftigung von Lehrkräften mit nur einem Unterrichtsfach zu prüfen. Berlin  und Brandenburg haben entsprechende Prüfungen angekündigt; Hamburg plant die Einführung eines Aufbau-Masterstudiengangs für Quereinstiege zum Ein-Fach-Lehrer für Stadtteilschulen und Gymnasien ab dem Wintersemester 2024/25.

Bildungsministerien der Länder 

3. Ein-Fach-Lehramtsabschlüsse anderer Bundesländer anerkennen 
Sofern ein einzelnes Bundesland Maßnahme Nr. 2 umsetzt und Ein-Fach-Lehramtsstudiengänge einführt oder erprobt, sollte der Abschluss auch in anderen Ländern als Zugangsberechtigung zum Vorbereitungsdienst oder für den Berufseinstieg anerkannt werden.

Bildungsministerien der Länder 

4. Abschlüsse, die in EU-Ländern für das Lehramt qualifizieren, ohne weitere Prüfung und Auflagen als gleichwertig anerkennen
Dies setzt eine entsprechende Anpassung der Ländergemeinsamen Eckpunkte für die Anerkennung ausländischer Lehrerberufsqualifikationen voraus.

Kultusministerkonferenz (KMK)

Bedarfsdeckende Studienkapazitäten vorhalten und ausbauen

Da einige Lehramtsstudiengänge zulassungsbeschränkt sind, wird in vielen Bundesländern derzeit darüber nachgedacht, die Zahl der Studienplätze zu erhöhen. In diesem Fall sollte über die Einbeziehung weiterer Hochschultypen in die Lehrkräftebildung nachgedacht werden, da diese auch das Potenzial haben, neue Zielgruppen anzusprechen.

Bisher kann ein Lehramtsstudium für alle Schulformen in der Regel nur an einer staatlichen Universität oder an einer Pädagogischen Hochschule absolviert werden. Lehramtsstudiengänge für die Unterrichtsfächer Kunst, Musik und Sport werden auch von den Kunst- und Musikhochschulen sowie der Deutschen Sporthochschule als gleichberechtigte Partner der Universitäten beziehungsweise Pädagogischen Hochschulen angeboten; in diesem Fall werden nur das Zweitfach und die Bildungswissenschaften an der Universität beziehungsweise Pädagogischen Hochschule studiert. Das Zweitfach kann auch zeitversetzt studiert werden. Bei den Lehramtsstudiengängen für die beruflichen Fachrichtungen gibt es an etlichen Standorten Kooperationen zwischen Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW). Personen, die an einer HAW einen Abschluss erworben haben, erhalten so die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen ein lehramtsbezogenes Masterstudium zu beginnen. Die HAWs sind aber bisher nicht systematisch in die Lehrkräftebildung für die beruflichen Schulen einbezogen, und sie sind, anders als die Kunst- und Musikhochschulen, keine gleichberechtigten Partner der Universitäten und Pädagogischen Hochschulen.
 

Folgende Maßnahmen sind dafür geeignet:

verantwortlich für die Umsetzung:

5. Studienkapazitäten für das Lehramt jährlich mit dem prognostizierten Lehrkräftebedarf abgleichen und gegebenenfalls ausbauen
Jedes Bundesland muss (mindestens) ein bedarfsdeckendes Angebot an Studienplätzen in den Lehramtsstudiengängen und die damit verbundenen Ressourcen vorhalten.

Bildungs- und Wissenschaftsministerien der Länder

6. Lehramtsstudiengänge für die beruflichen Fachrichtungen (Lehramtstyp 5) an Hochschulen für angewandte Wissenschaften als gleichberechtigte Partner der Universitäten und Pädagogischen Hochschulen einrichten
Analog zu den Lehramtsstudiengängen für Kunst, Musik und Sport sollten die HAWs eigenständige Lehramtsstudiengänge für die beruflichen Fachrichtungen einrichten können. An den HAWs studieren häufiger als an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen Personen mit Berufsschulabschluss, die mit dieser Schulform vertraut sind und vor ihrem Studium eine einschlägige Berufsausbildung absolviert haben.

Wissenschaftsministerien der Länder, 
Hochschulen für Angewandte Wissenschaften

7.  Die Einrichtung von Lehramtsstudiengängen an Hochschulen in privater Trägerschaft prüfen 
Die privaten Hochschulen sind überdurchschnittlich erfolgreich in der Rekrutierung von Studierenden, die "nicht dem klassischen Typus (zwischen 19 und 24 Jahre alt, Abitur, kinderlos, aus Deutschland kommend und in einem Präsenzstudium in Vollzeit studierend)" entsprechen. Sie haben deshalb das Potenzial, auch für die Lehramtsstudiengänge Personen zu rekrutieren, die nicht den Weg in die klassischen Lehramtsstudiengänge an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen finden.

Kultusministerkonferenz (KMK), 
Bildungsministerien der Länder, 
Verband privater Hochschulen

Qualitätsgesicherten Quer- und Seiteneinstieg als regulären Zugangsweg gestalten

Der anhaltende Mangel an ausgebildeten Lehrkräften erfordert eine verstärkte Integration von Personen, die einen Quer- und Seiteneinstieg in den Beruf wählen, um den Lehrkräftebedarf zu decken. Gegenwärtig nutzen die Länder den Quer- und Seiteneinstieg vorwiegend als Ad hoc-Maßnahme zum kurzfristigen Abbau von Engpässen und zur zügigen Gewinnung von Lehrpersonal. Welche Personen mit welchen Studienabschlüssen unter welchen Voraussetzungen für einen Quer- oder Seiteneinstieg zugelassen werden, definiert jedes Land jedes Schuljahr aufs Neue. Diese Praxis ist für potenzielle Interessierte wenig transparent und attraktiv.

Wer über einen Seiteneinstieg in den Lehrberuf gelangt, wird teilweise nur berufsbegleitend qualifiziert, muss aber von Anfang an eigenverantwortlichen Unterricht erteilen, teils in beträchtlichem Umfang. In Kollegien, aber auch in der Politik und öffentlichen Wahrnehmung haftet ihnen das negative Image von "Lehrkräften zweiter Klasse" an, die zwar gebraucht werden, aber nicht qualifiziert und eigentlich unerwünscht sind. Die grundständige Lehrkräfteausbildung wird durch diese Praxis stark entwertet: Warum sollten sich Abiturientinnen und Abiturienten für ein anspruchsvolles Lehramtsstudium und den anschließenden Vorbereitungsdienst entscheiden, wenn sie in bestimmten Unterrichtsfächern/beruflichen Fachrichtungen quasi sicher sein können, auch ohne Lehramtsstudium und Vorbereitungsdienst in den Beruf als Lehrkraft einzusteigen?

Mit Blick auf den Lehrkräftebedarf kommt es darauf an, den Quer- und Seiteneinstieg so zu gestalten, dass er transparent, planbar und attraktiv ist und die professionsbezogenen Qualitätsanforderungen an Lehrkräfte gewährleistet sind.

Quereinstieg wird hier verstanden als Eintritt in den Vorbereitungsdienst ohne einen lehramtsbezogenen Studienabschluss (Master of Education oder Erstes Staatsexamen). Seiteneinstieg wird hier verstanden als Einstieg in den Beruf als Lehrkraft ohne lehramtsbezogenen Studienabschluss und ohne Vorbereitungsdienst und Zweites Staatsexamen.
 

Folgende Maßnahmen sind dafür geeignet:

verantwortlich für die Umsetzung:

8. Quereinstieg als gleichberechtigten "zweiten Weg" zum Vorbereitungsdienst ermöglichen
Personen mit lehramtsbezogenem Abschluss (Master of Education oder Erstes Staatsexamen) erhalten keinen bevorzugten Zugang zum Vorbereitungsdienst.

Bildungsministerien der Länder

9. Masterstudiengänge für den Quereinstieg einführen
Entsprechende Modellstudiengänge für die Lehrämter an Grundschulen, Integrierten Sekundarschulen, Gymnasien und beruflichen Schulen gibt es an den Berliner Universitäten  sowie für die Unterrichtsfächer Informatik, Mathematik und Physik an der Universität Tübingen und für das Unterrichtsfach Musik an der Musikhochschule Lübeck. Für die Einrichtung der Studiengänge sind zusätzliche Mittel seitens der Länder erforderlich.

Universitäten, 
Pädagogische Hochschulen (PH) und 
Wissenschaftsministerien der Länder

10. Rahmenvereinbarung zur Vereinheitlichung der Anforderungen und Voraussetzungen für den Seiteneinstieg erarbeiten

Kultusministerkonferenz (KMK)

11. Qualifizierungsprogramme für den Seiteneinstieg einführen 
Eine Mindest-Qualifizierung wird dem Einsatz an der Schule ausnahmslos vorgeschaltet. Ein entsprechendes Qualifizierungsprogramm gibt es in Berlin. Wünschenswert wäre, dass Personen, die einen Seiteneinstieg wählen, während der berufsbegleitenden Qualifizierung zu-nächst nur im Team-Teaching, zur Betreuung von Kleingruppen und für unterrichtsnahe Tätigkeiten (beispielsweise Hausaufgabenbetreuung, Mitarbeit an Schulentwicklungskonzepten) eingesetzt werden und eigenverantwortlicher Unterricht erst nach Abschluss der Qualifizierung erteilt wird.

Bildungsministerien der Länder, 
Universitäten und PH, 
Studienseminare und Landesinstitute

12. Seiteneinstieg (in begrenztem Umfang) als regulären "dritten Weg" in den Beruf als Lehrkraft ermöglichen (nicht nur in Mangelsituationen)

Bildungsministerien der Länder

13. Landesweite Portale einrichten, die transparent die Möglichkeiten des Quer- und Seiteneinstiegs darstellen

Bildungsministerien der Länder

14. Spezifische Fort- und Weiterbildungsangebote für den Quer- und Seiteneinstieg bereitstellen

Landesinstitute, 
Universitäten und PH