Diversity

„Diversität ist wie Salz und Pfeffer“

Foto: [Daria Yakovleva](https://pixabay.com/en/users/Daria-Yakovleva-3938704/), [CC0](https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de) via [pixabay.com](https://pixabay.com/)
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„Ich bin nie nach dem Geschlecht gegangen“, erzählt Peter Bette. Der Vice President Global R&D Project Management beim Pharmahersteller Boehringer Ingelheim hat in 18 Jahren viele Projektleitende eingestellt. Für ihn zählt: „Man braucht erfahrene Leute. Menschen mit der Fähigkeit, anderen Wissen und Einsichten zu vermitteln.“ Und sie müssten in der Lage sein, sich in der Matrixstruktur des Unternehmens zurechtzufinden. Denn Forschung funktioniert heute nur vernetzt: „Persönlicher Kontakt ist wichtig.“ Arbeitssprache in Bettes 67-köpfigem multinationalem Projektleiterteam mit Standorten in den USA und in Deutschland ist Englisch. „Das ist eine Sache des Respekts“, so der Abteilungsleiter. Diversität ist beim Pharmahersteller schon seit 2012 ein strategisches Ziel. Ob flexible Arbeitszeiten, die firmeneigenen Krippenplätze oder das barrierefreie Arbeitsumfeld – das Unternehmen tut viel, um sich für unterschiedliche Mitarbeiter in unterschiedlichen Lebenssituationen zu öffnen. Denn im schwäbischen Biberach, wo der größte Standort des Unternehmens für Forschung und Entwicklung (FuE) sitzt, muss man heute um jeden klugen Kopf kämpfen.

Diversität fördert Innovation

Und das könnte in Zukunft noch schwieriger werden, weiß Katharina Pijnenburg vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, müssen Staat und Wirtschaft in Zukunft deutlich mehr in FuE investieren – bis 2025 stattliche 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung, das heißt statt aktuell rund 95 Milliarden Euro immerhin 125 Milliarden Euro. Dafür werden auch mehr Forschende gebraucht. Arbeiten heute hierzulande geschätzt 660.000 Menschen in der Forschung, müssten innerhalb weniger Jahre weitere 120.000 bis 165.000 FuE-Experten dazukommen, schätzt die BMBF-Statistikerin. Sie hat aber auch Zahlen im Gepäck, die Potenziale aufzeigen: Der Frauenanteil im MINT-Bereich liegt heute bei 28 Prozent, die Anzahl ausländischer Studierender in Masterstudiengängen bei gerade mal 12,5 Prozent. Ergo: „Man muss Frauen und ausländische Forschende gewinnen“, fordert Pijnenburg. Sie könnten die Forschung nicht nur bunter machen, sondern auch wichtige neue Impulse bringen. Für Pijnenburg steht fest: „Wir stehen für Diversität. Sie fördert Innovationen.“

Davon sind mittlerweile auch viele Unternehmen überzeugt. Wie eine Studie im Auftrag der 2006 ins Leben gerufenen Diversity-Initiative von Wirtschaft und Politik, Charta der Vielfalt, 2016 gezeigt hat, gibt es jedoch noch viel Luft nach oben. Ihr ernüchternder Befund: Zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland haben noch keine Maßnahmen im Bereich Diversity-Management umgesetzt. Für die Zukunft planen es nur 19 Prozent.

„Ich brauche die richtige Kultur im Unternehmen, um mit dieser Diversity auch richtig umgehen zu können.”

Britta Kohl (Foto: Britta Kohl)
Britta Kohl (Foto: Britta Kohl)
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Britta Kohl
IT&S Customer Services Manager bei BP

Beim Mineralölkonzern BP steht Diversity schon seit mehr als zehn Jahren weit oben auf der Agenda. Aber Britta Kohl weiß auch: „Diversity ist nicht automatisch gut fürs Business.“ Die BP-Managerin ist für die IT-Infrastruktur des Konzerns in Europa, Südafrika und Angola verantwortlich. Was nötig ist, bringt sie so auf den Punkt: „Ich brauche die richtige Kultur im Unternehmen, um mit dieser Diversity auch richtig umgehen zu können.“ Wie wichtig dabei Akzeptanz und Respekt sind, erlebt Kohl jeden Tag.

Schließlich arbeiten ihre Mitarbeiter an Standorten in neun Ländern, sind im Büro, im Labor, in Raffinerien, auf Förderschiffen und -plattformen unterwegs. Ob in Angola, Polen oder der Türkei: „Je nach Land und Situation vor Ort muss ich unterschiedlich reden und agieren“, so Kohl. Auch die Art und Weise, wie Mitarbeiter in anderen Umfeldern Probleme lösen, sei sehr verschieden. „Darauf muss ich hören, wenn die Zusammenarbeit klappen soll.“ Kultur der Einbeziehung nennen sie das bei BP.

Diversität bei Geschlecht, Alter, Nationalität, Religion, Behinderung, sexueller Identität, Kultur und Bildung treibt das Unternehmen schon mit der Einstellung neuer Mitarbeiter strategisch voran. Bewerberinterviews gibt es nur, wenn ein Kandidat unter Diversitätsgesichtspunkten passt. Am Ende gehe es aber um die Erfahrung und persönliche Eignung der Kandidaten. „Ausschlaggebend sind die Kompetenzen, die ich brauche“, betont Kohl. 

Mehr Frauen

Dabei soll auch der Frauenanteil in der traditionell männlich dominierten Mineralölindustrie wachsen. Eine Kooperation mit dem akademisch geprägten Karrierenetzwerk Femtec soll gerade mehr Frauen in Führungspositionen bringen. Diversity gehöre aber nicht in die Frauenecke, so Kohl. Stattdessen versuche man, für unterschiedliche Gruppen von Mitarbeitern passende Angebote zu machen, wie mit dem Mitarbeiternetzwerk Working Parents und der Regenbogen-Gruppe LGBQT. „Wir wollen die Individualität der Mitarbeiter erhalten und fördern. Sie bringt uns dazu, innovativer zu sein“, erklärt die BP-Managerin. 

Dass man sich eine fruchtbare Vielfalt im Unternehmen erst erarbeiten muss, kann Maria Schwenke unterschreiben. Die Projektkoordinatorin des Personalentwicklers und internationalen Fachkräftevermittlers BEN Europe Institute warnt davor, Vielfalt als Marketingstrategie oder Greenwashing zu nutzen. Diversity sei eine Entscheidung für eine wertorientierte Personalpolitik und brauche ein strategisches Management. „Sie muss von oben gewollt und von unten angenommen und unterstützt werden.“ Wer Vielfalt fördere, stehe in der Verantwortung. „Diversity heißt, man muss wirklich jedem eine echte Chance geben“, stellt die Fachkräfteexpertin klar. „Nur so können sich internationale Fachkräfte wohl und akzeptiert fühlen.“

„Diversity heißt, man muss wirklich jedem eine echte Chance geben”

Maria Schwenke (Foto: privat)
Maria Schwenke (Foto: privat)
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Maria Schwenke
Projektkoordinatorin beim BEN Europe Institute

Kommunikation als Grundstein für Diversität

„Mitarbeiter müssen verstehen, dass andere Leute anders ticken. Das ist ein Lernprozess und manchmal auch nicht einfach“, erklärt Grzegorz Darlinski, Alliance Manager im Innovation Management von Covestro – und er muss es wissen. Denn es ist seine Aufgabe, Menschen im Unternehmen zu vernetzen – intern und mit externen Partnern wie Universitäten. Covestro, ehemals die Kunstststoffsparte von Bayer, agiert erst seit drei Jahren als eigenständiges Unternehmen. Diversity ist ein wichtiger Bestandteil der Unternehmenskultur. „16.000 Mitarbeiter, 30 Standorte weltweit, das macht uns bunt“, ist Darlinski überzeugt. Mehrere Hundert Mitarbeiter arbeiten in Leverkusen in der Forschung und Entwicklung. Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter gebe es keine Diversitätsdirektiven, so Darlinski: „Aber wir gehen hier jeden Tag mit Vielfalt um.“ 

„Diversität ist wie Salz und Pfeffer. Es macht sensibler und kreativer.”

Grzegorz Darlinski (Foto: Claudia Darlinski)
Grzegorz Darlinski (Foto: Claudia Darlinski)
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Grzegorz Darlinski
Alliance Manager im Innovation Management von Covestro

Seine pragmatische Definition: „Diversity-Management im Unternehmen heißt, Leute mit unterschiedlichem Background zusammenzubringen, um ein bestimmtes Problem zu lösen.“ Beispielsweise den Chemiker mit der Ingenieurin, weil sie gemeinsam prüfen müssen, ob ein neu aufgesetzter Prozess funktionieren kann. Oder die FuE-Gruppe in Leverkusen mit ihrem Forschungsgruppenleiter in Shanghai. Mitarbeiter über unterschiedliche Disziplinen oder über Länder- und Kulturgrenzen hinweg produktiv zusammenzubringen, bedeute aber auch Aufwand. Unterm Strich: „Man muss mehr kommunizieren“, weiß Darlinski. Mitarbeiter bräuchten in gemischten Teams generell eine größere Offenheit. Um Forschungsteams möglichst gut zu besetzen, müsse man auch die Individualität der Menschen im Blick haben: „Ein Team muss Entscheidungen treffen, aber man braucht nicht lauter Alphamännchen.“ Reine Männer- oder Frauenteams gebe es nicht.

„Der Erfolg von Diversity-Management ist schwer zu beurteilen“, sagt Darlinski. Für die konkrete Projektarbeit gebe es schließlich keine Vergleichsteams. Er ist auch so überzeugt: „Diversität ist wie Salz und Pfeffer. Es macht sensibler und kreativer.“

Diversität muss zum Unternehmen passen

Dass heterogene Teams innovativer sind, legen neuere Studien nahe, von denen Kerstin Ettl, Juniorprofessorin für Entrepreneurial Diversity & SME Management der Uni Siegen, berichtet. Insgesamt komme die Forschung zu gemischten Teams heute aber nicht zu einheitlichen Ergebnissen. Man wisse, dass Diversität das Konfliktpotenzial in Teams erhöhen und die Zusammenarbeit aufwendiger gestalten kann. „Man weiß aber auch: Wenn sich einmal ein diverses Team gefunden hat, kann es beim Finden alternativer Lösungen besonders kreativ sein.“ Eine einfache Gleichung gebe es nicht. Unterschiedliche Diversitätsaspekte könnten sich immer sowohl positiv als auch negativ auf die Leistungen einer Gruppe auswirken. Entscheidend sei die Unternehmenskultur, so der Schluss der Forscherin. „Diversität muss zum Unternehmen passen.“

Das sieht Katharina Hochfeld ganz genauso. Die stellvertretende Leiterin des Fraunhofer Center for Responsible Research and Innovation ist Expertin für die Themen Unternehmenskultur und Transformation. Die Arbeitswelt 4.0 brauche künftig sehr flexible, kooperative Mitarbeiter, denn „Innovationen werden in Zukunft immer mehr an Schnittstellen entstehen.“ Dabei würden auch unterschiedliche Karriereverläufe als Diversitätsmerkmal wichtiger. „Gerade die junge Forschergeneration, die jetzt nachrückt, kann hier vielfältige Erfahrungen einbringen“, beobachtet die Fraunhofer-Forscherin. Sie ist überzeugt: Unterschiedliche Unternehmen haben unterschiedliche Herausforderungen, was Diversität angeht. Aber für alle gelte: „Wir müssen heraus aus unseren Silos“, so Hochfeld.

Der von der Wissenschaftsstatistik des Stifterverbandes organisierte 5. Essener FuE-Workshop „Diversität in FuE-Teams: Alle(s) gleich anders?“ fand am 6. September in Essen statt.

Der Stifterverband erhebt jährlich im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) die Investitionen der deutschen Wirtschaft in Forschung und Entwicklung und fragt auch Diversitätsdaten ab.

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