Chancengerechtigkeit

Integrationsmotor Bildung

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(Foto: Dominik Asbach)
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Es begann in Berlin im Herbst 2014 mit der Idee, Flüchtlingen ein Hochschulstudium zu ermöglichen. Geflüchtete, die keine der für ein Studium notwendigen Dokumente vorweisen konnten, sollten nach zwei Jahren Onlinestudium das dritte Studienjahr als Präsenzphase an einer Universität absolvieren können. Das Ziel: der Bachelorabschluss. Kiron Open Higher Education heißt die Initiative, die mittlerweile 1.250 Studierenden ein solches Studium ermöglicht und zur Hochschulperle digital des Jahres 2015 des Stifterverbandes gewählt wurde. 

Große Chancen durch Online-Lehre

Kiron nutzt dabei MOOCs (Massive Open Online Courses), die Partner wie Udacityedxiversity oder Coursera im Angebot haben und wandelt diese in Lernmodule in den Ingenieur-, Wirtschafts-, Computer- oder Sozialwissenschaften um. 18 Partnerhochschulen wie etwa die RWTH Aachen, die Universität Kassel oder die Hochschule Heilbronn stehen als Studienorte für die Teilnehmer bereit, sollten diese nach zwei Studienjahren die Voraussetzungen für ein drittes erfüllt haben. „Kiron zeigt, dass digitale Lehre und Präsenz über eine Onlineplattform neu zusammengesetzt und weiterentwickelt werden können. Gerade Geflüchteten bietet es große Chancen, nach ihren Interessen ein Studium aufzunehmen und zu absolvieren“, sagt Oliver Janoschka, der die Geschäftsstelle Hochschulforum Digitalisierung im Stifterverband leitet. Wenn Kiron-Studierende dank des Mentoring- und Tutorenprogramms in Kontakt mit deutschen Kommilitonen und Helfern kämen, sei das eine wertvolle Unterstützung, um das Studium sowie alltagsrelevante Themen und Herausforderungen in Deutschland zu bewältigen.

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Vincent Zimmer (Foto: Stifterverband)
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Vincent Zimmer
Der Mitgründer von Kiron Open Higher Education, Vincent Zimmer, im Gespräch zur Umsetzung seiner Vision, eine hybride Hochschule für Flüchtlinge zu entwickeln.
Eine Hochschule für Flüchtlinge

Kiron ist nur eines von vielen Beispielen bundesweit, die zeigen, wie sich Hochschulen engagieren, um Flüchtlingen einen Zugang zu höherer Bildung zu bieten. Die Palette der Möglichkeiten ist groß: Universitäten und Fachhochschulen erlassen Flüchtlingen die Gebühr für das Gasthörerstudium, die Kosten für das Semesterticket oder die Studienbeiträge und bieten ein kostenloses Schnupperstudium an; Studierende engagieren sich als Paten, bieten Deutschkurse an, helfen beim Einleben in den Alltag oder beim Ausfüllen von Formularen für die Ämter; Wissenschaftler richten Internetseiten ein, um geflüchtete Kollegen mit bestimmten Forschungsprofilen besser zu vernetzen. „In dieser kurzen Zeit haben die Hochschulen und insbesondere Kiron bislang Beachtliches geschafft“, bilanziert Janoschka. 

Wenig Unterstützung durch die Politik

Wie aktiv Hochschulen bei der Integration der Flüchtlinge sind, belegt auch das im März vom Stifterverband und von der Heinz Nixdorf Stiftung veröffentlichte Hochschul-Barometer: Demnach haben 98 Prozent der befragten Universitäten sowie insgesamt 72 Prozent der Hochschulen Maßnahmen entwickelt, um Flüchtlinge auf ein Studium vorzubereiten oder sie finanziell unterstützen zu können. 66 Prozent der Hochschulen helfen etwa in Form von Brückenkursen und Beratungen, um Geflüchteten den Hochschulzugang zu ermöglichen. Doch die Hilfsbereitschaft stößt an Grenzen. Dem Hochschul-Barometer zufolge fühlt sich rund die Hälfte der Hochschulen nicht gut darauf vorbereitet, Flüchtlinge in Studium und Lehre zu integrieren. Es fehle an Geld und politischer Unterstützung, klagen sie. Die Zufriedenheit mit der Politik ist unter den befragten Hochschulchefs folglich gering: Lediglich 15 Prozent gaben zu Protokoll, die Politik habe die passenden rechtlichen und finanziellen Maßnahmen getroffen, um Flüchtlingen den Eintritt in die Hochschule zu ermöglichen.

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Ob die derzeitige Hilfe für die Hochschulen ausreicht, wird sich erst noch zeigen. Zwischen 30.000 und 50.000 Gefüchtete, so die erste vorsichtige Schätzung, brächten Voraussetzungen mit, die es ihnen ermöglichten, ein Hochschulstudium aufzunehmen oder fortzusetzen, sagte die Generalsekretärin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Dorothea Rüland. Noch liegen die Zahlen immatrikulierter Geflüchtete an den meisten Hochschulen nur im zweistelligen Bereich. Gestützt wird diese Schätzung auch durch das Hochschul-Barometer: Laut der Umfrage liegt der Prozentsatz der Flüchtlinge unter den Studierenden bei 0,6 Prozent – nur sechs von 1.000 Studierenden sind demnach Flüchtlinge. Der große Ansturm, so analysierte Rüland, sei bislang ausgeblieben, da sich die meisten Flüchtlinge noch im Asylverfahren befänden. Dies könnte sich zum Herbst dieses Jahres ändern, wenn die Verfahren verkürzt werden.

Bereit fürs Studium

Die Hochschulen hat die Gruppe der Geflüchteten als potenzielle Zielgruppe aber schon jetzt auf die richtige Spur gebracht. Dies zeigt auch eine außergewöhnliche Kooperation, mit der die Leuphana Universität Lüneburg auf sich aufmerksam gemacht hat. Sie hat bis April 2016 im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit den Onlinekurs „Ready for Study“ angeboten. Rund 1.500 Flüchtlinge lernten zwölf Wochen lang die deutsche Sprache und Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens, um sich auf ein Studium in Deutschland vorzubereiten. Besonders war der Kurs auch deshalb, weil Inhalte wie die Themen Bewerbung und Leben in Deutschland den Teilnehmern als eine erste Grundlage zur Berufsbefähigung dienen sollten – und damit zur Integration in die deutsche Gesellschaft beitragen sollten. Derzeit wird der Kurs evaluiert. Dass er fortgesetzt werde, sei nicht ausgeschlossen, sagt Ann-Kathrin Watolla von der Leuphana Digital School.

Doch es sind nicht nur die Flüchtlinge, die von vielen der Maßnahmen profitieren. Auch den Hochschulen eröffnen sich neue Chancen, etwa beim Aufbau von Onlineangeboten oder bei der Suche nach neuen Zielgruppen. „Hochschulen bietet sich die Gelegenheit, internationale Studierende über digitale Kurse auf sich aufmerksam zu machen“, sagt Janoschka. Studierende, die etwa bei Kiron Open Higher Education den Sprung in das dritte Studienjahr schafften, seien sehr leistungsstark – und damit im Fokus der Universitäten, die sich für stark motivierte Studierende interessierten. Doch schielen die Hochschulen nicht allein darauf, leistungsstarke und internationale Studierende anzulocken, wie die Umfrage des Stifterverbandes ergab; es geht ihnen auch um einen gesellschaftlichen Auftrag, den sie wahrnehmen wollen. 70 Prozent der Rektoren und Präsidenten sind überzeugt, dass ihre Einrichtungen eine wichtige Rolle spielen, um Flüchtlinge in die Gesellschaft zu integrieren.

Integration durch Bildung

Die Mitgliedsunternehmen des Stifterverbandes haben eine Reihe von Aktivitäten gestartet, um die Integration von Flüchtlingen in Deutschland zu unterstützen. Bildung ist dabei der Schlüssel. Sie bietet Zugang zur deutschen Sprache, zu gesellschaftlicher und politischer Teilhabe und zum Arbeitsmarkt. Der Stifterverband hat deshalb mehrere Aktionslinien entwickelt, mit denen zum einen die individuelle Integration von Geflüchteten gefördert und zum anderen strukturelle Veränderungen auf institutioneller Ebene angestoßen werden sollen. Dazu zählt unter anderem, Geflüchteten den Weg in eine Berufsausbildung oder an die Hochschule zu erleichtern sowie mehr und besseres Lehrpersonal für den Sprachunterricht zu aktivieren.

www.stifterverband.de

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