Ultrakurze Lichtimpulse ermöglichen
minimal-invasives Augenlaserverfahren
Nominiert für den Deutschen Zukunftspreis 2025
Sehen – für viele von uns ist es der wichtigste Sinn. Über unsere Augen erfassen wir die Welt, finden Orientierung, reagieren auf Gefahren und erleben Schönheit. Unsere Augen sind wahre Meisterwerke der Evolution – und doch: Milliarden Menschen sind kurz- oder weitsichtig, manche sogar stark fehlsichtig. Viele brauchen Unterstützung, damit sie das Potenzial ihrer Augen nutzen können. Brillen und Kontaktlinsen helfen – doch sie können als hinderlich oder unangenehm empfunden werden. So ist der Gedanke, das Auge selbst und damit das Sehen nachhaltig zu korrigieren, weder überraschend noch neu. Aber was muss eigentlich am Auge korrigiert werden, damit Menschen ohne Hilfsmittel scharf sehen können?
m Idealfall ist unser Auge ein fein abgestimmtes optisches System, das mit Präzision funktioniert: Licht gelangt zunächst auf die Hornhaut des Auges, durchdringt dann die Linse und wird schließlich auf die Netzhaut projiziert. Dort wandeln die Sehzellen das Licht in Nervenimpulse um. Diese Impulse werden über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet, das die Informationen verarbeitet und in ein vollständiges Bild übersetzt. Stimmt die Geometrie des Auges nicht – weil der Augapfel etwa zu lang für die Krümmung der Hornhaut ist – entsteht ein unscharfes Bild. Brille oder Kontaktlinse gleichen das aus. Aber kann Fehlsichtigkeit auch minimalinvasiv und dauerhaft behoben werden?
Das nominierte Team hat genau das geschafft: Es hat das minimalinvasive Verfahren der Lentikelextraktion und die dafür erforderliche hochpräzise Technologie entwickelt und damit die Augenlaserchirurgie revolutioniert.
- Dr. rer. nat. Mark Bischoff, Carl Zeiss Meditec AG
(Sprecher des Teams) - Dr. rer. nat. Gregor Stobrawa, Carl Zeiss Meditec AG
- Dipl.-Phys. Dirk Mühlhoff, Carl Zeiss Meditec AG
Das vom Team entwickelte minimalinvasive Lentikelextraktionsverfahren ist heute die Alternative zur bekannten Laser-in-situ-Keratomileusis (LASIK): Beim LASIK-Verfahren wird mit einem chirurgischen Messer oder einem medizinischen Femtosekundenlaser ein sogenanntes "korneales Flap" erzeugt. Dabei wird die oberste Schicht der Augenhornhaut teilweise gelöst und wie ein Deckel (engl. Flap) zur Seite geklappt. Mit einem zweiten medizintechnischen Gerät – dem Excimerlaser – wird in der darunterliegenden Schicht Gewebe abgetragen, das Flap anschließend zurückgeklappt und so die Brechkraft der Hornhaut korrigiert.
LASIK ist ein sicheres Verfahren. Durch den Flap-Schnitt werden jedoch viele oberflächliche Nerven durchtrennt, was die Sensibilität der Hornhaut vermindert, weshalb der Lidschlagreflex nicht mehr so gut funktioniert. Das kann zum "Trockenen Auge" führen. Zudem wächst das Flap nie wieder fest an und kann noch lange Zeit nach der Operation durch mechanische Belastung (zum Beispiel Augenreiben) verschoben werden.
Hier setzt die Innovation des Teams neue Maßstäbe, denn es hat das Verfahren und die dafür notwendige Technologie noch einmal ganz von vorne gedacht. Das Ergebnis: Ein Femtosekundenlaser-Keratom, das mit einem Gerät alle Schritte der Augenlaserkorrektur ermöglicht. Das Entwicklerteam kombinierte hierzu einen Femtosekundenlaser mit einer Hochleistungsoptik und einer modernen Computersteuerung. Das Medizingerät ist in der Lage, das zu entnehmende Gewebe ohne Verletzung der Oberfläche und innerhalb von weniger als zehn Sekunden im Inneren der Hornhaut präzise zu separieren und wie eine perforierte Briefmarke für die Entnahme vorzubereiten. Doch wie kann etwas im Inneren separiert werden, ohne die Oberfläche zu verletzen?
Das gelingt dank eines speziell dafür von ZEISS entwickelten Hochleistungsobjektivs und einer äußerst leistungsfähigen Laserstrahlsteuerung. Diese Technologie ermöglicht die sehr präzise Fokussierung von intensiven, aber extrem kurzen Laserpulsen im Inneren der Augenhornhaut, ohne die Oberfläche zu verletzen. Diese ultrakurzen Laserimpulse sind einige 100 Femtosekunden lang, also kürzer als ein Millionstel einer Millionstel Sekunde. Während dieser extrem kurzen Zeit beträgt ihre Leistung etwa ein Megawatt. Zum Vergleich: Das entspricht der Strahlungsleistung von 100.000 LED-Lampen und damit zweimal der Lichtleistung der Münchner Allianz Arena – ultrakurz und konzentriert auf einen Punkt, der 100-mal kleiner ist als der Durchmesser eines menschlichen Haars. Eine so präzise Fokussierung an jedem Raumpunkt der Hornhaut hat vorher noch niemand geschafft!
Durch die präzise Aneinanderreihung von Millionen solcher Fokuspunkte im Raum separiert der vom Team entwickelte, medizinische Femtosekundenlaser VISUMAX® ein linsenförmiges Gewebevolumen – das sogenannte Lentikel. Zunächst die Rückseite, dann die Vorderseite des Lentikels. Patientinnen und Patienten sehen und spüren davon nichts, denn die Wellenlänge des Laserlichts liegt im infraroten Spektralbereich. Im letzten Schritt erzeugt das Lasergerät eine zwei Millimeter kleine Inzision, durch die die Chirurgin oder der Chirurg das Lentikel entnimmt. Die Hornhautvorderseite ändert dadurch ihre Form und das bewirkt die beabsichtigte Brechkraftkorrektur – sicher, präzise und ohne Flap, also ohne unnötige Schnitte in der Augenhornhaut. Nebenwirkungen wie die des „Trockenen Auges“ werden deutlich verringert und das Risiko einer Flap-Verschiebung durch mechanische Einwirkung ist praktisch ausgeschlossen.
Die von ZEISS entwickelte Technologie basiert auf dem Chirped Pulse Amplification Prinzip (CPA), für das Donna Strickland und Gerard Mourou im Jahr 2018 den Nobelpreis für Physik erhalten haben. Dem Team um Mark Bischoff, Gregor Stobrawa und Dirk Mühlhoff ist es erstmals gelungen, das CPA-Prinzip in der Augenheilkunde so anzuwenden, dass man für eine Fehlsichtigkeitskorrektur ausschließlich einen medizinischen Femtosekundenlaser braucht. Das von ihnen entwickelte Lentikelextraktionsverfahren ist inzwischen unter dem Namen SMILE® weltweit bekannt.
Vom Projektstart bis zur klinischen Zulassung des Behandlungsverfahrens in Europa hat es zehn Jahre gedauert. Seitdem hat die SMILE® Technologie die refraktive Chirurgie weltweit revolutioniert. Inzwischen praktizieren Chirurginnen und Chirurgen in mehr als 80 Ländern das mininmalinvasive Lentikelextraktionsverfahren. ZEISS ist auf dem Gebiet der Lasersehkorrektur heute Weltmarktführer und erzielt damit jährlich mehr als eine halbe Milliarde Euro Umsatz. Mehr als 300 Kolleginnen und Kollegen in Jena und Berlin entwickeln und produzieren die medizinischen Lasergeräte und sterilen Verbrauchsgüter.
Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht den enormen Bedarf für die Technologie: Jedes Jahr erreichen weltweit mehr als 50 Millionen Menschen mit korrekturbedürftiger Fehlsichtigkeit das Erwachsenenalter. Für diese Menschen, deren Anteil durch verschiedene Faktoren weltweit zunimmt, birgt die Innovation des Teams eine große Chance auf unbeschwertes Sehen und damit eine Verbesserung ihrer Lebensqualität.
Das Projekt wurde vom Deutschen Patent- und Markenamt vorgeschlagen.