Uwe Lübbermann: Die Welt mit Cola verbessern

Uwe Lübbermann: Die Welt mit Cola verbessern

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Uwe Lübbermann: Die Welt mit Cola verbessern
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Premium-Cola ist eine etwas andere Firma. Sie will keine Gewinne erzielen und behauptet sich seit 13 Jahren auf dem Getränkemarkt. Sind die Einnahmen höher als die Ausgaben, wird eben der Preis gesenkt. Alle Mitarbeiter bekommen einen Einheitslohn, so auch der Gründer und Chef Uwe Lübbermann, der in diesem Video erklärt, wie solch ein Unternehmen erfolgreich wirtschaften kann.

Produktion: Timur Diehn
Postproduktion: Christian Slezak
für den Bildungskanal des Stifterverbandes

Transkript des Videos

Ich tue was aus meiner Sicht Sinnvolles. Ich versuche den Kapitalismus zu reparieren, da wo er von selber nicht ordentlich funktioniert.

Was meine ich mit besserer Wirtschaft? Das sind eigentlich drei Aspekte. Der erste ist Suffizienz, also man könnte sich doch reduzieren mit weniger Zeug, mit weniger Geld, mit weniger Sachen auskommen. Das ist manchmal sogar angenehmer als wenn man mehr Sachen hat. Der zweite ist Effizienz, aber eben nicht über ein Druckthema, sondern über das Weglassen von Rechtsstreitigkeiten zum Beispiel. Wir hatten noch nicht einen einzigen Rechtsstreitigkeit in 13 Jahren trotz dieser Vielzahl an Partnern und ohne rechtliche schriftliche Verträge. Also, man spart da auch viel, aber eben auf einer anderen Effizienzebene. Und das dritte ist sowas wie Resilienz, also mit sehr vielen verschiedenen Partnern zu arbeiten, die einem wohlgesonnen sind, um im Krisenfall eben nicht alleine dazustehen. Das ist für mich also ein Gesamtpaket, das kann man auch mit dem dreifachen Lohn finanziell nicht aufwiegen, und den hatte ich an der Uni und will trotzdem nicht zurück.

Also, letzter Stand ist von 2014, dass wir 1,2 Millionen Flaschen bewegt haben mit 1.680 gewerblichen Partnern, in 200 Städte liefern, in Deutschland, die Schwewiz und Österreich. Und wir produzieren, liefern, rechnen ab, alles Mögliche. Also, das ist ein Unternehmen, das mitten in der realen Wirtschaft sozusagen sich bewegt. Und trotzdem sagen manche: Das ist ja völlig außerhalb davon. Das kann man ja gar nicht vergleichen usw., weil es eben viele Dinge anders anfasst. Und ein wesentlicher Punkt ist der, dass wir zum Beispiel bewusst keine Gewinne erzielen wollen. Das heißt, wir wollen natürlich die Zutaten bezahlen, die Arbeit bezahlen, einen Cent für Rücklagen einkalkulieren, Einheitslöhne haben, 16 Euro brutto im Moment für alle, auch für mich natürlich. Und wenn dann immer noch was über ist, dann müssen wir den Preis senken. Und das haben wir gemacht in 13 Jahren viermal, weil wir eben bewusst keine Gewinne erzielen wollen. Weil die Möglichkeit, Gewinne zu erzielen, typischerweise für einen Inhaber, bedeutet, dass ich zum Beispiel als Inhaber mir die Möglichkeit hätte, auf die Lieferanten zu drücken, damit die günstiger werden, um meinen Anteil zu vergrößern. Oder von Kunden durch geschicktes Marketing höhere Preise zu verlangen als eigentlich erforderlich, um meinen Anteil zu vergrößern. Und das sind beides Anreize, die ich aus dem System haben wollte, also gibt es bei uns ganz klar das Ziel, eine schwarze Null zu haben, aber nicht mehr. Und dann mussten wir Anfang 2013 mal die Preise erhöhen, weil Zucker und Koffein zugleich teurer geworden waren. Aber was meint ihr, wieviele Kunden wir verloren haben? Nicht einen einzigen. Weil wir vorher bewiesen haben, dass wir das ehrlich meinen mit der schwarzen Null, keine Gewinne erzielen.

Es ist nicht so, dass wir von allen möglichen anderen Sachen leben. Das wäre auch dann kein Beweis, den wir erbracht hätten, wenn wir nicht alle Leute bezahlen würden, die Arbeit machen. Wir wollen ja Wirtschaft beweisen, also geht's auch um Geld dabei. Die Gründung des Ganzen ist ja nun über 13 Jahre her und geschah damals wirklich aus Versehen. Ganz ehrlich, ich wollte gar kein Getränkehersteller werden, bin durch Zufall da reingerutscht über so eine Protestaktion gegen Rezeptänderungen und sowas. Und dann hatte ich das Problem, dass ich keine Ahnung hatte und trotzdem derjenige sein sollte, der bestimmt, weil ich eben der Gründer war. Und deswegen habe ich von Anfang an gesagt: Liebe Leute, die ihr betroffen seid von den Entscheidungen, die da getroffen werden müssen, bitte kommt vorbei, sagt mir, was ihr braucht, was eure Bedarfe sind, eure Wünsche, eure Vorstellungen. Und kommt bitte auch alle, damit wir es miteinbauen können. Und dann reden wir solange, bis alle einverstanden sind. Das nennt sich Konsensdemokratie. Da gibt es verschiedene Ausprägungen davon, und bei uns ist es so gelöst, dass jeder Beteiligte jedes Thema aufwerfen kann. Jeder kann auch zu jedem Thema etwas sagen, und es wird solange geredet, bis es kein Veto mehr gibt gegen den letzten Vorschlag. Und das klingt erstmal völlig unmöglich, wenn man das mit Leuten macht, die eigentlich widerstrebende Interessen haben. Der Großhändler will teuer verkaufen, und der Gastronom will günstig einkaufen zum Beispiel. Aber das dauert nur zu Anfang lange, also bei uns so das erste Jahr war eine schwierige Phase, und da haben wir mal so vier Monate gebraucht, um uns auf sechs Worte zu einigen, die aufs Etikett sollten, solche Sachen. Aber wenn man einmal diesen Weg gegangen ist und wirklich alle Bedarfe der Leute miteingebaut hat, dann wird das ab diesem Zeitpunkt, glaube ich, eine sehr soziale Form, zu Entscheidungen zu kommen, eine sehr stabile Form, weil eben schon alle Bedarfe miteingebaut sind, da muss man nicht andauernd neun reden, und deshalb auch zu einer sehr effizienten Form, das zu machen.

Ich habe nicht nur diesen finanziellen Lohn, der übrigens völlig ausreichend ist, also 16 Euro brutto, da kann man als einzelner Mensch hervorragend leben. Es gibt auchg Ergänzungen: Wer Kinder hat, kriegt mehr für jedes Kind. Und wer eine Behinderung hat, bekommt auch mehr. Das war's. Aber ich habe ja noch andere Löhne. Der zweite Lohn ist zum Beispiel eine weitreichende Stabilität. Ich bin nicht weisungsgebunden, abhängig beschäftigt von einem einzigen Arbeitgeber, sondern ich habe 1.680 Partner. Und wenn da zwei wegbrechen, dann ist nicht gleich mein Lebensunterhalt hinüber. Dann habe ich die Freiheit, hierhin zu fahren, mit euch zu reden, so auszusehen dabei wie ich will, zu sagen, was ich denke, absolut alles auch offen zu sagen, und das ist nicht in jedem Job so. Da muss man dann an einem Ort sein und sich einen Schlips umbinden und nicht alles sagen, was man denkt.

Ich glaube, das sind so drei Faktoren, die man braucht, damit das klappen kann. Das erste ist irgendwie eine Art von zentraler Person oder Gruppe, die gibt's in jedem Open-Source-Projekt, sowas wie einen Maintainer, der oder die die Idee sozusagen aufwirft, voranbringt, weiterentwickelt und wie so ein Steuermann im Prinzip das auf Kurs hält. Und dieser Mensch oder dieser Menschenkreis muss in sich selbst sozusagen intrinsisch haben, nicht bestimmen zu wollen. Und da gegenüber braucht man natürlich die Beteiligten, die mitmachen, die müssen das dann eben auch nicht als Führungsschwäche wahrnehmen, sondern als Gelegenheit, wirklich gemeinschaftlich in einer weichen Form zu Lösungen zu kommen. Und das muss sich sozusagen gegenseitig bedingen. Sobald einer ausschert, ist der andere dann auch gleich dabei, also dann gerät das ins Kippen. Das muss sozusagen eine Balance sein zwischen den beiden. Und das dritte, was man braucht, ist Zeit. Einfach um nach und nach Lösungen zu entwickeln, die aufzuschreiben als vorläufig, dann weiterzumachen, die nächste Lösung zu entwickeln und das ganz langsam und organisch wachsen zu lassen, um so eine Art interne Kultur des weichen Miteinanders zu prägen. Und bei den Piraten hat das nicht so gut funktioniert, glaube ich, weil sie das zu Anfang mit sehr vielen Leuten schon gemacht haben, ohne eine Grundlage zu haben. Da gab es die Zeit im Prinzip nicht, das war der dritte Faktor. Dann gab es dadurch aus weiche Führungsmenschen, aber die sollten bei denen jedes Jahr ausgewechselt werden, um nicht so informelle Machtstrukturen auszubilden. Das kann ich nachvollziehen, aber das hat eben den Nachteil, dass man dann nie Vertrauen langfristig aufbauen kann, weil man nach einem Jahr immer jemand Neues vorfindet. Und das hat da, glaube ich, aus diesen Gründen nicht so gut funktioniert. Ich war selber auch Pirat, und ich glaube, dass wir die dringend brauchen in der politischen Landschaft. Aber so wie das angefasst wurde, hat das leider nicht funktioniert.

Ich würde von Marktmacht nicht unbedingt reden bei einem Marktanteil von ein paar Promille, die wir da haben, also die großen Player haben da sicherlich mehr zu bewegen. Aber wir müssen ja nicht nur unseren eigenen Flaschenzahlenhorizont haben, sondern wir können auch Kooperationen bilden mit insgesamt 18 anderen Herstellern, mit denen wir freundschaftlich zusammenarbeiten. Das ist übrigens auch effizienter als wenn wir uns alle gegenseitig im Wettbewerb bekriegen würden. Man macht's halt miteinander, das ist für alle angenehmer. Und dann hat man eben doch den Hebel, wenn so ein Fall aufkommt, das war so ein Leergutsortierer, 1,70 Euro Stundenlohn bekam der und den Hinweis, er möchte zum Amt gehen und aufstocken. Das ist dann herausgekommen über eine Obdachlosenzeitung. Die haben sich an uns gewandt, und wir haben gesagt: Also, lieber Großhändler, auch wenn das formal betrachtet der Angestellte eines Subunternehmers eines Subunternehmers von dir ist, arbeitet der auf deinem Hof. Du bist trotzdem dafür verantwortlich. Und wir möchten bitte, dass der mehr verdient, sonst müssen wir dich rauswerfen, und nicht nur wir, sondern auch alle anderen, die da noch mitmachen. Und das hat in der Form geklappt, dass er dann nachher 7,60 Euro netto Stundenlohn hatte. Das ist immer noch nicht viel, ist auch eine gering qualifizierte Tätigkeit, könnte man sagen, aber immerhin konnte er dann davon auf kleiner Flamme leben. Und das ist so ein Beispiel, glaube ich, dafür, dass man doch in der Wirtschaft, wenn man's einigermaßen weich anfasst, Dinge verändern kann.

Wenn man denen das erklärt und erläutert, warum das nicht geht mit 1,70 Stundenlohn und dass das ein Fall war, von dem die vielleicht gar nicht wussten, und dass sie die Möglichkeit haben, das zu ändern, und dass es auch sinnvoll wäre, das zu tun, weil wir das auch kommunizieren werden über die nächste Zeit, dann habe ich bisher fast nur gute Erfahrungen damit gemacht. Also, ich glaube, so ein Rest, halbes Prozent, von Idiotenquote, Menschen, mit denen man einfach nicht lösen kann, egal wie man sich auf den Kopf stellt, aber 99,5 Prozent der Menschen, glaube ich, sind erstmal gut. Und wenn man denen auch so entgegentritt, dann wird man zu Lösungen kommen.

Social Entrepreneurship will ja mit wirtschaftlichen Methoden auf soziale Zusammenhänge zielen, um sie eben zu verbessern und zu optimieren. Und da wäre das erste, was mir auffällt: Warum muss eigentlich ein Gewinn entstehen im Sinne von mehr Einnahmen als erforderlich für die Summe von Zutaten und Arbeit und eine kleine Rücklage für Krisenfälle? Also, das ist bei uns zum Beispiel nicht gegeben. Und ich sehe auch Social Entrepreneure kritisch, die zum Beispiel nur einen Spendenanteil in ihr Getränk einrechnen, das gibt es recht häufig, Bio machen meinetwegen und ansonsten aber die normale Wirtschaft so benutzen wie man sie vorfindet. Und der Hauptgrund, der mir da querstößt oder aufstößt, ist, dass Wirtschaft nicht von Gleichwertigkeit von Menschen ausgeht, sondern von unterschiedlichen Wertigkeiten. Der große Kunde ist wichtiger als der kleine. Der interne Partner ist wichtiger als der externe. Der Geschäftsführer hat mehr zu sagen als der Mitarbeiter. Und das sind so Sachen, die ich gerne anders hätte einfach.

Wir wollen gerne mit unseren Endkunden ein zinsfreies Crowdfunding machen mit Mitbestimmung, um den Finanzbedarf der Lieferanten damit zu decken, damit wir diese Banken und Investoren los werden. Und wenn das klappt, ist das ein großer Spaß, glaube ich, und das wird so zweieinhalb Cent pro Flasche einsparen. Und das ist rechtlich unklar, wie das geht, das ist nicht ganz unheikel, wird auch ein paar Jahre brauchen vielleicht, aber das ist so ein Projekt, was ich mir als nächstes vorgenommen habe, was auch schon angefangen hat.

Ich will natürlich, dass sich die Ideen doch schneller verbreiten, also habe ich das Konzept "2008 Open Source" gemacht, auf die Homepage geschrieben, was wir tun und wie, so dass andere Unternehmen wie zum Beispiel Frohlunder mit dem gleichen Design, mit der gleichen Arbeitsweise, aber eben formal eigenständig separat ein weiteres Standbein aufmachen können und eben andere wie Kolle-Mate, die Auguste aus Nürnberg, Metamate aus Berlin usw., das heißt, darüber ist die Ideenverbreitung im Prinzip doch exponentiell oder schneller möglich als über das eigene Flaschenzahlwachstum. Und dann hat Wachstum ja auch ganz viele Gesichter. Also, ich könnte die gleiche Flaschenzahl mit weniger Stress bewegen zum Beispiel. Oder die gleiche Flaschenzahl mit weniger Leuten oder die gleiche Flaschenzahl in mehr Läden. Habe ich zwar mehr Aufwand, aber auch mehr Stabilität zum Beispiel. Also, da shat ganz viele Gesichter. Und operativ-sachlich gibt es keinen Grund, warum das Projekt wachsen muss. Das ist groß genug, von Anfang an schuldenfrei, ernährt die Leute, arbeitet, das ist also nicht das Thema. Der einzige Grund, wieso ich mir das doch noch wünsche, ist, damit das so ein bisschen sexy bleibt als Idee. Wenn das also jahrelang vor sich hin stagnieren würde, dann wäre das wahrscheinlich nicht so interessant für andere, da was zu übernehmen. Aber ich will eben auch, dass Autohersteller sich eben eine Scheibe davon abschneiden. Es gibt sogar zwei, die mich eingeladen haben, um sich begleiten zu lassen. Das geht, glaube ich, nur, wenn man zeigt, dass auch ein moderates Wachstum drin ist.