Sabine Doff: Lehrerbildung braucht Recruiting

Wir müssen diejenigen jungen Menschen finden, die große Potenziale für den Lehrerberuf mitbringen würden, das aber möglicherweise gar nicht wissen. Und wenn die nicht zu uns finden, müssen wir sie finden.

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Eigentlich bräuchte man die besten Köpfe für die Lehrerausbildung. Doch in der Praxis fühlten sich viele Pädagogen in der Schule besser aufgehoben als an der Uni, meint Sabine Doff, Leiterin des Zentrums für Lehrerbildung an der Universität Bremen. Ziehen Lehrer den Beamtenstatus der ungewissen akademischen Karriere vor? Oder liegt es an Ansehen und Wertschätzung, die sie an Hochschulen vermissen?

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Transkript des Videos

Wir bilden junge Lehrerinnen und Lehrer aus und finden da solche Godnuggets.

Also, Sie finden jemanden oder der findet Sie, wo Sie sagen: Super! Der ist so ein toller Lehrer, eine tolle Lehrerin, dass sie unbedingt diesen Beruf ausüben sollte. Dann ist mein Interesse natürlich als jemand, der Lehrerinnen und Lehrer ausbildet, dass das jemand ist, der nicht nur Lehrerin oder Lehrer wird, sondern dass der- oder diejenige selber auch mal Lehrer ausbildet, weil der Multiplikationseffekt ist ja viel höher. Also, Sie kriegen ja quasi, indem Sie Lehrer ausbilden, nochmal einen höheren Multiplikationseffekt als als Lehrerin oder Lehrer. Was passiert aber? Speziell junge Frauen gehen natürlich lieber in die Schule, weil sie dort nämlich eine sichere Karriere vor sich haben, weil sie dort einen Beamtenstatus haben, den ihnen die Universität nicht bieten kann, und weil sie möglicherweise einfach sich an dieser Stelle, nämlich genau an der Schule, besser aufgehoben fühlen als an der Universität. Und dann muss man mit einem lachenden und einem weinenden Auge, so wie ich das jetzt mache, sie einfach ziehen lassen. Also, ich würde die natürlich, diese Goldnuggets, die würde ich natürlich gerne hier behalten auf Promotionsstellen. Aber ich muss sagen: Mir ist es jetzt erst wieder passiert, dass jemand gesagt hat nach einem Jahr: Das mit der Promotion ist schön, die mache ich auch fertig, aber ich gehe jetzt in die Schule. Und dann muss man sagen: Und das ist gut so.

Wir müssen diejenigen finden, diejenigen jungen Menschen, die große Potenziale für den Lehrerberuf mitbringen würden, das aber möglicherweise gar nicht wissen. Und wenn die nicht zu uns finden, müssen wir sie finden, und das würden wir durch ein gezieltes Suchen, sowas wie ein Recruitment, wie es das ja auch in anderen Berufsgruppen gibt, möglicherweise besser bewerkstelligen als jetzt im Moment. Also, dass wir gezielt nach jungen Menschen suchen, die dieses Berufsbild für sich erstmal gar nicht in Erwägung ziehen.

Ich glaube, dass der Lehrerberuf einer ist, der für viele junge Leute aus was für Gründen auch immer nicht besonders attraktiv ist. Das hat aber nichts mit dem Beruf an sich zu tun, sondern damit, dass sie sich nicht so viel darunter vorstellen können und dass man immer noch denkt: Das ist was, was so in diese Schublade "Beamte", "graue Alltagsschulen", "Klassenzimmer", in diese Schublade gepackt wird. Und dass das, glaube ich, eine Karriere ist, die viele zu früh für sich verwerfen. Solche, die wir dringend gebrauchen könnten und auch würden. Aber dann müssen wir uns mehr um die bemühen.

Ich glaube, dass in der Haltung generell in der Lehrerbildung zu häufig verzichtet wird, und da fasse ich mich durchaus auch kritisch an die eigene Nase, auf die Bedeutung dieses Berufs und auf die ungeheuere Verantwortung, die damit einhergeht, hinzuweisen. Und wenn man das schaffen würde, diese Bedeutung stärker sichtbar zu machen, es ist ja nicht so, dass sie nicht da ist, aber wenn man sie sozusagen stärker sichtbar machen könnte, dann wäre aus meiner Sicht auch die ganze Frage von Ansehen in der Gesellschaft oder Wertschätzung des Berufs, die wäre hinfällig. Also, man erfährt ja in der Regel die Wertschätzung, die man sich erstmal selbst zuschreibt und mit der man auch auftritt in gesellschaftlichen Zusammenhängen oder auch in politischen Zusammenhängen auftritt. Und ich glaube, das Bewusstsein dafür zu stärken, ein wie verantwortungsvoller, wie wirkmächtiger Beruf für uns, das heißt, für unsere Gesellschaft das ist, das würde ich mir wünschen.

Ich habe zum Beispiel jetzt erlebt in Runden, in denen es universitätsintern um Exzellenzförderung ging, dass gesagt wurde: Ja, wir können natürlich was für exzellente Lehre an der Universität tun, für exzellente Forschung sowieso, dafür sieht man sich ja sehr stark natürlich auch zuständig, für exzellente Lehre an der Hochschule auch noch. Aber wir kriegen ja immer schlechtere Absolventen, die von den Schulen zu uns kommen. Also, dieses alte Lied. Entweder die Kinder und Jugendlichen werden immer dümmer, wahlweise immer fauler, wahlweise immer schlechter erzogen oder eine Kombination aus allem. Und dann hieß es aber in dieser Runde: Aber darauf haben wir ja gar keinen Eunfluss, wer zu uns kommt und wie die ausgebildet sind, ja? Antwort: Doch! Weil wir bilden ja die Lehrerinnen und Lehrer aus, die wiederum die Kinder und Jugendlichen ausbilden, die dann wiederum zu uns kommen.

Diese Idee, dass wir darüber, wie wir Lehrer ausbilden und welche Lehrerinnen und Lehrer wir ausbilden, ja auch steuern, wer in fünf bis zehn Jahren zu uns kommt oder in 15 Jahren, dieses Bewusstsein ist schlicht unterausgeprägt.