Stephan Balzer: Wenn Führungskräfte nichts mehr lernen wollen

"Es gibt Führungskräfte, die der Meinung sind, sie brauchen nichts mehr lernen, sie wüssten alles. Und das ist natürlich eine Bankrotterklärung."

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Lebenslanges Lernen gilt nicht für den Vorstand? So ein Denken ist eine böse Falle, meint der Entrepreneur Stephan Balzer, der die TEDx-Konferenzen über Technologe, Design und Innovation nach Berlin gebracht hat. Und es gebe auch Stiftungen, die vormachen, wie man neue Wege beschreitet.
 

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Die Zukunftsmacher und ihre Visionen für Bildung und Ausbildung, Forschung und Technik

Autor: Timur Diehn
Produktion: Webclip Medien Berlin
für den YouTube-Kanal des Stifterverbandes

 

Transkript des Videos

De facto ist es trotzdem heute so, dass die Entscheidungen heute oft natürlich oben getroffen werden müssen. Und das erzeugt meiner Meinung nach ein Dilemma, weil wir dort Leute haben, die entscheiden müssen, obwohl sie wenig davon verstehen.

Seit mehreren Jahren fahre ich nach Vancouver zur TED-Konferenz. Das ist eine ganze Woche, eine ganze Woche. Und ich habe da noch nie einen DAX-Konzernvorstand gesehen. Noch nie! Und komischerweise wen ich da sonst sehe, der Jeff Bezos sitzt sozusagen seit 15 Jahren in der ersten Reihe, sechs Tage lang, und schreibt bei jedem Vortrag mit, schreibt sich alles mit. Und danach geht er in seine Firma, und dann sagt er: Ich habe folgende Dinge gesehen. Ich habe mir ein Update, quasi ein 360-Grad-Update von der Welt habe ich mir in sechs Tagen geholt, weil ich hatte alles: Ich hatte Philosophen, ich hatte vielleicht sogar einen Mönch, ich hatte einen Technologen vom MIT, ich hatte jemanden vielleicht aus Singapur, und die haben mir überall Input gegeben. Solange wir uns das nicht erlauben, Führungskräfte da auszusetzen und sich damit zu konfrontieren, sondern in ihrem komischen Kanal zu lassen und immer zu sagen: Nee, Balzer, der hat doch keine Zeit! Das ist alles eine Frage der Prioritäten. Wenn das so prioritär wäre wie eben vielleicht eine Vorstandssitzung, wo wieder irgendwas vorgestellt werden muss, dann würde das auch immer stattfinden. Und ich glaube, wir laufen Gefahr, mit dieser Haltung, weil es ist eine reine Haltung, kein Zeitthema, das ist absolut meiner Meinung nach einfach nur eine Schutzbehauptung zu sagen, man hat keine Zeit. Wenn man das wollte, dann könnte man das möglich machen. Und ich glaube, wir müssen gerade dafür sorgen und Aufsichtsräte, Shareholder müssen Druck machen auf diese Manager, sich damit mehr zu beschäftigen. Weil das Problem und das, was wir hier auch diskutieren in zwei Tagen, ist ja: In dem Moment, in dem ich immer weiter so arbeite, ich kann gar nicht mehr schauen, was um mich herum passiert. Ein Wettbewerber, der vielleicht in den Markt eintritt, ist nicht der klassische Wettbewerber. Bei einem Stahlkonzern ist es nicht der andere Stahlkonzern, sondern es ist vielleicht ein Start-up, was plötzlich Material baut, das härter ist als Stahl und das ich nicht erfunden habe, weil ich einfach immer weitergemacht habe, weil ich natürlich nie Zeit hatte, mich mal irgendwo hinzusetzen und mich mal zu challengen und über den Tellerrand zu schauen. Das heißt also, es muss die Priorität geben, es muss die Offenheit auch geben, das Problem ist auch kulturell, glaube ich, dass wir viele Führungskräfte oder auch Leadership haben, die der Meinung ist: Die müssen nichts mehr lernen. Es ist wirklich so, und es ist sogar ein Zitat. Ich war bei einem großen Unternehmen in Süddeutschland. Wir haben da mit dem Top-HR-Team zusammengesessen, und die haben tatsächlich erzählt, es gibt Führungskräfte, die der Meinung sind, sie brauchen nichts mehr lernen, sie wüssten alles. Und das ist natürlich eine Bankrotterklärung, wenn das eine Führungskraft sagt, dann ist es eher für mich der Punkt, wo ich sagen würde, wenn ich Shareholder wäre, dann hätte ich Angst.

Zum Teil nennt sich das Impact Investing, dann ist es Social Investing, da sind ja immer unterschiedliche Erwartungshaltungen von den Investoren dahinter. Ich glaube, es gibt ein paar junge Stiftungen, die ein paar andere Wege gehen. Also, ich fand zum Beispiel auch das, was Mercator gemacht hat mit solchen Themen wir Lead, dass man eine Leadership Academy gründet, um Führungskräfte im Bereich von NGOs zu trainieren. Das fand ich einen unglaublich guten Ansatz, einfach zu sagen: Wir müssen eine Professionalisierung durchführen in dem Bereich, weil es ein typischer Bereich ist, der nicht klassischerweise Managementerfahrung hat. Weil anders als in den USA werden in den deutschen Stiftungen nicht die gleichen Gehälter gezahlt wie in der Industrie. Das heißt, die deutschen Stiftungen kriegen jetzt nicht zum Teil Top-Manager aus der Wirtschaft, weil sie auch gar nicht so zahlen können. In Amerika ist das anders, da sagt man: Wir müssen Top-Gehälter zahlen, damit wir die besten Leute bekommen. Und um das auszugleichen, fand ich diese Idee hervorragend als erstes. Das zweite, die Beisheim-Stiftung in München, finde ich, geht neue Wege. Die haben natürlich auch den Vorteil, dass sie so ein blank sheet of paper haben, die können sozusagen von Null anfangen, ohne einen Stifter, und können quasi frei gestalten. Das merkt man in der Planung, das finde ich extrem interessant. Und dann hat man natürlich, klar, wenn man sich die ganzen anderen Stiftungen anschaut, da hängt extrem davon ab, wer diese Stiftung führt und ob es eine Offenheit gibt, etwas Neues zu tun. Und wenn die den Generationswechsel schon hinter sich haben, das heißt, wenn da die Generation der Anfang-Mitt-40er schon an Bord ist, dann spürt man dort Veränderung. Aber das ist, glaube ich, der Lauf der Dinge.