Presse (Headerbild)

Ost- und westdeutsche Unternehmen weitgehend auf Augenhöhe

18.02.2020

Das neue Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), das der Bundeskanzlerin am 19. Februar 2020 in Berlin übergeben wurde, untersucht anlässlich des 30. Jahrestages der deutschen Wiedervereinigung die aktuellen Innovationsleistungen Ostdeutschlands und ihre Entwicklungen über die letzten Jahre – auch im Vergleich zu denen Westdeutschlands.

  • Expertenkommission begrüßt Abkehr von einer besonderen F&I-Förderung ostdeutscher Unternehmen
  • Der Anteil innovationsaktiver Unternehmen sollte erhöht und Unternehmen sollten bei der Markteinführung von Innovationen unterstützt werden
  • Verstärkt Anreize für überregionale und internationale Kooperationen setzen

Innovationen gelten als wichtige Treiber der gesamtwirtschaftlichen Produktivität und damit der Einkommens- und Wohlstandsentwicklung einer Volkswirtschaft. "Studien zeigen, dass Ostdeutschland den Produktivitätsrückstand gegenüber Westdeutschland seit der Wiedervereinigung deutlich verringern konnte: 1991 betrug die Produktivität in Ostdeutschland rund 45 Prozent des westdeutschen Niveaus, 2018 rund 83 Prozent", wie der Vorsitzende der Expertenkommission, Uwe Cantner von der Universität Jena, positiv wertet. Gleichzeitig stellt er fest, dass sich diese Angleichung aber deutlich verlangsamt habe. Hierfür seien vielfältige strukturelle Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland verantwortlich, die nach wie vor vorhanden seien und die sich auch auf die Innovationstätigkeit von Unternehmen auswirkten.

Um den Unterschieden in der Wirtschaftsstruktur zwischen Ost- und Westdeutschland Rechnung zu tragen und so zu einem aussagekräftigen Vergleich zu kommen, wurden nur solche Unternehmen aus Ost und West miteinander verglichen, die ähnliche Strukturmerkmale aufwiesen. Cantner stellt fest: "Werden nur strukturähnliche Unternehmen miteinander verglichen, so zeigt sich, dass sich die Innovationstätigkeit ostdeutscher Unternehmen in den vergangenen Jahren der Innovationstätigkeit der westdeutschen Unternehmen weitgehend angeglichen hat." Wie der Vergleich zeigt, sind ostdeutsche und westdeutsche Unternehmen bei zentralen Innovationsindikatoren nahezu auf Augenhöhe. "So lassen sich zum Beispiel bei der Innovationsintensität und dem Umsatzanteil mit Produktinnovationen strukturangeglichen kaum mehr Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Unternehmen feststellen", so Carolin Häussler von der Universität Passau und Mitglied der Expertenkommission. "Ein klarer Aufholbedarf ostdeutscher Unternehmen besteht hingegen noch bei der Aufnahme von Innovationsaktivitäten und der Einführung von Innovationen in den Markt", führt sie weiter aus.

Darüber hinaus zeigt die Analyse, dass ostdeutsche Unternehmen im Rahmen ihrer Innovationsprojekte häufiger kooperieren als westdeutsche Unternehmen. Dabei sind ihre Kooperationen allerdings häufiger regional und weniger international ausgerichtet.

 

Daraus resultieren folgende Empfehlungen der EFI:

  • Eine wichtige Aufgabe der F&I-Politik des Bundes ist es, die Position Deutschlands im globalen Wettbewerb zu stärken. Daher sollte der Fokus der F&I-Politik auch weiterhin auf der Förderung exzellenter Innovationsprojekte in Ost- und in Westdeutschland liegen.
  • Die Expertenkommission begrüßt, dass die Bundesregierung nach Auslaufen des Solidarpakts II von einer besonderen F&I-Förderung ostdeutscher Unternehmen absieht. Sie erachtet eine F&I-Förderung strukturschwacher Regionen für sinnvoll, die sich an regionalen Merkmalen und nicht an Grenzen von Bundesländern orientiert. Auch bei dieser Förderung sollte nach Exzellenzkriterien ausgewählt werden.
  • Darüber hinaus befürwortet die Expertenkommission eine innovationsorientierte Struktur-politik. Diese fördert etwa über Infrastrukturmaßnahmen die Potenziale strukturschwacher Regionen und soll darüber deren Innovationsbereitschaft und -fähigkeit insgesamt erhöhen.
  • Um mehr Unternehmen in strukturschwachen Regionen zu Innovationsaktivitäten zu motivieren, sollten Unternehmen ohne FuE stärker in die F&I-Förderung integriert werden – auch durch Unterstützung von nicht-technischen und sozialen Innovationen.
  • Die Expertenkommission empfiehlt, die F&I-Politik zukünftig stärker darauf auszurichten, Unternehmen in strukturschwachen Regionen bei der Markteinführung von neuen Produkten und Dienstleistungen zu unterstützen, um so die Innovatorenquote zu erhöhen. Dies gilt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen.
  • Die Expertenkommission erachtet die regionale Vernetzung von Innovationsakteuren als wichtig. Sie regt jedoch an, in der F&I-Förderung ein höheres Gewicht auf überregionale und internationale Kooperations- und Vernetzungsformen zu legen.

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) mit Sitz in Berlin leistet seit 2008 wissenschaftliche Politikberatung für die Bundesregierung und legt jährlich ein Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. Wesentliche Aufgabe der EFI ist es dabei, die Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems im internationalen und zeitlichen Vergleich zu analysieren und die Perspektiven des Forschungs- und Innovationsstandorts Deutschland zu bewerten. Auf dieser Basis entwickelt die EFI Vorschläge für die nationale Forschungs- und Innovationspolitik.

Weitere Pressemitteilungen zur Übergabe des EFI-Jahresgutachtens 2020:

Deutschland braucht mehr China-Kompetenz
Cyber-Angst lähmt Innovation

 

Pressekontakt

Dr. Helge Dauchert (Foto: Damian Gorczany)

Dr. Helge Dauchert

ist Leiter der Geschäftsstelle der Expertenkommission Forschung und Innovation.

T 030 322982-562

E-Mail senden