
Informatik-Monitor 2025/26: Spotlights zur Schulinformatik

Nur noch wenige Länder ohne Pflichtfach Informatik

- In zehn Bundesländern gibt es seit diesem Schuljahr ein Pflichtfach Informatik an allen weiterführenden Schulen – Bremen und Rheinland-Pfalz folgen in den nächsten Jahren.
- Sonderweg: Sachsen-Anhalt führt Informatik als Pflichtfach ein, allerdings nicht an Gymnasien.
- Schlusslichter bleiben Berlin, Brandenburg und Hessen: Hier gibt es weiterhin kein Pflichtfach Informatik – auch nicht an einzelnen Schulformen – und auch keine konkreten Pläne zur Einführung.
- Nicht am Ziel: Obwohl Informatikunterricht in den meisten Bundesländern Pflicht ist, erreichen nur drei Bundesländer die empfohlene Stundenzahl von insgesamt sechs Stunden in den Klassen fünf bis zehn.
- Informatik in der Oberstufe deutlich hinter den Naturwissenschaften: Bundesweit belegen nur 16 Prozent der Jugendlichen Informatik – weit weniger als Physik, Chemie oder Biologie.
Hamburg neu dabei: In zehn von 16 Bundesländern gibt es inzwischen ein Pflichtfach Informatik
Mit der Einführung des Pflichtfachs Informatik in Hamburg gibt es seit dem Schuljahr 2025/26 nun zehn Bundesländer, die an allen weiterführenden Schulen verbindlichen Informatikunterricht anbieten. Damit hat sich ihre Zahl in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Bremen und Rheinland-Pfalz planen die Einführung für 2026 beziehungsweise 2028.
Neu ist in diesem Schuljahr außerdem, dass auch in Sachsen-Anhalt ein Pflichtfach Informatik an Sekundar- und Gemeinschaftsschulen eingeführt wird – aber nicht an Gymnasien. Dort findet Informatik lediglich anteilig im Fach "Lernen in der digitalen Welt" statt, das vor allem auf Medienbildung ausgerichtet ist.
In Berlin, Brandenburg und Hessen gibt es weiterhin kein Pflichtfach Informatik; auch nicht an einzelnen Schulformen. Während in Berlin und Brandenburg in den vergangenen Jahren keine Bewegung hin zu einem flächendeckenden Pflichtfach erkennbar war, hat Hessen zuletzt seinen Schulversuch für das Fach "Digitale Welt" ausgebaut. Hier sollen informatische Inhalte im Kontext gesellschaftlicher Herausforderungen vermittelt werden. Konkrete Pläne zur flächendeckenden Einführung dieses Faches liegen noch nicht vor.
Nur Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Thüringen erreichen die empfohlene Anzahl an Pflichtstunden Informatik
Dass inzwischen zehn Bundesländer ein Pflichtfach Informatik an allen weiterführenden Schulen eingeführt haben, ist ein beachtlicher Fortschritt für die informatische Bildung in Deutschland. Neben der Erschließung der noch fehlenden Bundesländer muss jedoch auch der Umfang des Informatikunterrichts stärker in den Blick genommen werden. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz empfiehlt für die Sekundarstufe I (kurz: Sek I; in der Regel die Klassen fünf bis zehn) insgesamt sechs Wochenstunden Informatik (SWK, 2022: Gutachten zur Digitalisierung im Bildungssystem). Dieses Niveau ließe sich etwa durch jeweils eine Wochenstunde Informatik von der fünften bis zur zehnten Klasse umsetzen.
Aktuell erreichen nur Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und das Saarland dieses Niveau. Ein Ausbau der Stundentafeln ist daher dringend nötig. Fortschritte gibt es in diesem Schuljahr in Baden-Württemberg: Hier umfasst das Pflichtfach nun an allen Schulformen vier Wochenstunden im Verlauf der Klassen fünf bis zehn statt wie zuvor eine Stunde. Einen vierstündigen Pflichtunterricht bieten auch Sachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein. In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern sind es dagegen lediglich zwei Stunden.
Deutlich höhere Belegung der Grund- und Leistungskurse Informatik in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen und Rheinland-Pfalz als in den anderen Bundesländern
Schülerinnen und Schüler erhalten mit einem Pflichtfach Informatik in der Sek I eine wichtige Grundbildung. Zusätzlich können sie an Schulen mit Oberstufe Grund- oder Leistungskurse belegen, um ihre Kompetenzen zu vertiefen. Bundesweit wählen jedoch nur 16 Prozent der Jugendlichen Informatik in der Oberstufe – das Fach liegt damit deutlich hinter den Naturwissenschaften Physik und Chemie (je 38 Prozent) sowie Biologie (78 Prozent).
Wie oft Informatik belegt wird, unterscheidet sich allerdings stark zwischen den Bundesländern. In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern wählen es mehr als 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler, in Thüringen und Rheinland-Pfalz mehr als 30 Prozent, in Hessen, Niedersachsen, Bremen und Baden-Württemberg allerdings weniger als zehn Prozent. Überall belegen mehr Jungen als Mädchen Informatik. Am häufigsten wählen Schülerinnen Informatik in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern (etwas mehr als 30 Prozent der Schülerinnen).
Die Entscheidung für Informatik hängt von vielen Faktoren ab. Ein Faktor könnte der frühzeitige und durchgehende Kontakt zum Fach Informatik sein. Dafür spricht, dass Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen – die einzigen Länder mit langjährigem Pflichtfach Informatik in der Sek I – auch in den Oberstufenbelegungsquoten vorne liegen. In Thüringen könnte relevant sein, dass es bis vor Kurzem noch das einzige Bundesland war, das "in den Wahlmöglichkeiten der Oberstufe Informatik den Naturwissenschaften gleichstellt" (SWK, 2022). Rheinland-Pfalz stieß erst in den letzten Jahren zur Spitzengruppe, möglicherweise ein Erfolg der 2016 gestarteten MINT-Strategie des Landes zur Förderung von MINT-Bildung entlang der gesamten Bildungskette.
Empfehlungen an die Kultusministerien und die Kultusministerkonferenz
- Pflichtfach Informatik in Berlin, Brandenburg und Hessen einführen: Informatische Kompetenzen sind zentral für die aktive Teilhabe in einer digitalisierten Welt und heute in vielen Berufen wichtig – oft sogar Voraussetzung. Informatik muss deshalb ein verpflichtender Teil der Allgemeinbildung sein und darf nicht vom Wohnort, Schulform oder Wahlangeboten abhängen. Berlin, Brandenburg und Hessen dürfen ihren Schülerinnen und Schülern diese Teilhabechancen und Möglichkeiten, die eine fundierte informatische Bildung eröffnet, nicht länger verwehren. Auch Sachsen-Anhalt sollte Informatik als eigenständiges Fach konsequent auf das Gymnasium ausweiten.
- Informatik auf sechs Wochenstunden ausbauen: Informatik ist – wie Physik, Chemie und Biologie – eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin. Deshalb braucht es kontinuierlichen, aufeinander aufbauenden Unterricht über die gesamte Sekundarstufe I. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission empfiehlt dafür sechs Wochenstunden, also beispielsweise eine Stunde pro Woche von Klasse fünf bis zehn. Damit würde Informatik im Umfang in die Nähe der Naturwissenschaften rücken. Die Kultusministerkonferenz sollte diese Empfehlung in die Rahmenvereinbarungen für die Sekundarstufe I aufnehmen.
- Informatik als Fach, Medienbildung fächerintegrativ: Medienbildung und Informatik sind beide unverzichtbare Bestandteile einer zeitgemäßen Allgemeinbildung, verfolgen jedoch unterschiedliche Ziele. Während Informatik den systematischen Aufbau von Kompetenzen wie algorithmischem Denken, Datenstrukturen oder Modellierung zum Ziel hat, verfolgt Medienbildung das Ziel, einen kritischen Umgang mit Informationen und grundlegende digitale Anwendungskompetenzen zu vermitteln. Der Informatikunterricht kann Grundlagen für Medienbildung legen; im Übrigen sollte Medienbildung jedoch außerhalb des Informatikunterrichts und fächerübergreifend verankert sein. Sie ist in nahezu allen Unterrichtskontexten relevant und kann dort praxisnah vermittelt werden – während Informatik in einem eigenständigen Fach den notwendigen Raum behält.
- Informatik in der Oberstufe stärken: Fortgeschrittene informatische Kompetenzen sind nicht nur in MINT-Studiengängen gefragt, sondern längst auch in den Sozial- und Geisteswissenschaften – etwa in computergestützten Analyseverfahren oder interdisziplinären Studiengängen wie den Digital Humanities – sowie in zahlreichen Ausbildungsberufen. Um Schülerinnen und Schüler darauf vorzubereiten, braucht es höhere Belegungsquoten in der Oberstufe und die Möglichkeit, informatische Kompetenzen zu vertiefen. Die Kultusministerkonferenz ist gefordert, Informatik bei der Belegung und als Prüfungsfach den Naturwissenschaften gleichzustellen. Ebenso müssen ausreichende Lehrkapazitäten für die Oberstufe geschaffen und Maßnahmen ergriffen werden, um mehr Schülerinnen für die Informatik zu gewinnen – beispielsweise durch flächendeckende Mentorinnenprogramme, in denen ältere Mitschülerinnen als sichtbare Vorbilder wirken.
ÜBER DEN INFORMATIK-MONITOR
Mit dem Informatik-Monitor schaffen der Stifterverband, die Gesellschaft für Informatik und die Heinz Nixdorf Stiftung Transparenz zum aktuellen Stand der informatischen Bildung in Deutschland. Zusammen mit den Analysen der Gesellschaft für Informatik zum Angebot und Umfang des Informatikunterrichts an allgemeinbildenden Schulen stellt der Stifterverband wichtige Steuerungsdaten zur Reichweite des Informatikunterrichts, zur Situation der Informatiklehrkräfte in Studium und Weiterbildung und zur Einbindung des Pflichtfachs Informatik in der Stundentafel zur Verfügung.
Kontakt

Dr. Felix Süßenbach
ist Wissenschaftlicher Referent im Bereich "Programm und Förderung".
T 030 322982-577