Durch Kooperation zum Standortprofil
Fallbeispiel Flensburg

Forschungs- und Transferzentrum

Flensburg

 
Das Dr. Werner Jackstädt-Zentrum (DWJZ) ist ein gemeinsames Forschungs- und Transferzentrum der Europa-Universität und der Hochschule Flensburg. Das Besondere am DWJZ im Vergleich zu anderen Zentren dieser Art an deutschen Hochschulen ist seine fachliche Ausrichtung auf die Gründungs- und Mittelstandsforschung. Durch die Kopplung des Know-hows und der Ressourcen beider Hochschulen entsteht ein differenziertes Leistungsangebot für die lokale Wirtschaft.

 

Ausgangssituation und Genese

Die Wirtschaftsregion Schleswig-Flensburg ist stark mittelständisch geprägt. Die Kontakte zwischen den Hochschulen in Flensburg und den in der Region ansässigen Unternehmen waren bislang jedoch nur punktuell etabliert. Auf der Ebene einzelner Professoren und der Hochschulleitungen sowohl der Hochschule als auch der Universität entstand die Idee, ein Transferzentrum speziell für den Mittelstand in Flensburg zu gründen. Der Kontakt zwischen der Universität und der Dr. Werner Jackstädt-Stiftung, die unter anderem die BWL mit besonderem Bezug auf den Bereich KMU fördert, verhalf den Hochschulen im Jahr 2011 zu einem erfolgreichen gemeinsamen Drittmittelantrag für ihr Vorhaben, denn die thematische Ausrichtung der Jackstädt-Stiftung entsprach dem Vorhaben der Flensburger Hochschulen.

Die Europa-Universität Flensburg und die Hochschule Flensburg gründeten somit im Jahr 2011 das gemeinsame Forschungs- und Transferzentrum Dr. Werner Jackstädt-Zentrum für Unternehmertum und Mittelstand (DWJZ), um zum einen enger mit der regionalen Wirtschaft zusammenzuarbeiten und zum anderen die wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereiche beider Hochschulen besser zu vernetzen. Durch das DWJZ sollte sich ein einheitlicher Ansprechpartner für die Region etablieren, welcher bereits bestehende Aktivitäten zum Thema Unternehmertum und Mittelstand bündelt.

 

Beschreibung der Kooperation

Unter der Dachmarke DWJZ werden die Themen Gründung, Unternehmertum und Mittelstand in Forschung, Lehre und Transfer beider Hochschulen gebündelt. Bearbeitet wird ein breites Themenspektrum von Academic & Green Entrepreneurship, über Entrepreneurship Education, Wissens- und Nachfolgemanagement, Innovationsmanagement, Corporate Governance, Personalentwicklung und Weiterbildung bis zu Wachstum, Wandel und Organisationsentwicklung, Regional- und Nachhaltigkeitsmanagement.

Zu den Leistungen des DWJZ gehören in der Lehre Veranstaltungen für Bachelor- und Masterstudiengänge beider Hochschulen, die speziell auf die Zielgruppe der Entrepreneure und der Führungsnachwuchskräfte mittelständischer Unternehmen zugeschnitten sind. Zudem haben Studierende ebenso wie Start-ups die Möglichkeit, an interaktiven Mentoringveranstaltungen in Kooperation mit regionalen Unternehmen teilzunehmen. Insbesondere im Bereich Forschung ergänzen sich die verschiedenen Fach- und Methodenkompetenzen der im DWJZ involvierten Wissenschaftler. Forschungsprojekte werden je nach Themenfeld von den Kollegen der Hochschule und der Universität gemeinsam oder getrennt beantragt und bearbeitet.

Bislang konnten erfolgreich EU- und Landesmittel sowie private Drittmittel für Forschungsprojekte mit starkem Regionalbezug zum Beispiel zum Nachhaltigkeitsmanagement in der Lebensmittelbranche, zur familienbewussteren Personalpolitik in KMUs und zum Qualitätsmanagement in der Sozialwirtschaft eingeworben werden.

Zu den Transferaktivitäten des DWJZ gehören neben den Veröffentlichungen der beteiligten Wissenschaftler und eigenen Schriftenreihen Interviews, Tagungsvorträge und Teilnahmen an Podiumsdiskussionen, auch mit den lokalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften und Kammern. Zudem organisiert das DWJZ eigene Veranstaltungen, wie zum Beispiel das International Green Entrepreneurship Forum oder die Reihe jackstädtdialog Gute Arbeit.

Auch durch Gründungsunterstützung tragen die Hochschulen gemeinsam zum Wissenstransfer in die Region bei: Das dem DWJZ angeschlossene Gründerzentrum Jackstädt Entrepreneurship Center (JEC) kooperiert eng mit der Wirtschaftsförderungs- und Regionalentwicklungsgesellschaft Flensburg/Schleswig (WiREG). Bislang konnte das JEC annähernd 200 Gründungsprojekte begleiten, aus denen bereits mehr als 40 Gründungen hervorgegangen sind.

 

Organisationsstruktur

Das zentrale Gremium des DWJZ ist das sogenannte Kompetenzteam, dem seitens der Hochschule vier Professoren und seitens der Universität zwei Professoren sowie drei promovierte Nachwuchswissenschaftler unterschiedlicher Fachbereiche angehören. Darüber hinaus sind wissenschaftliche Mitarbeiter jeweils von der Universität und von der Hochschule im DWJZ beschäftigt. Beide Hochschulen stellen jeweils eine halbe Arbeitskraft als Zentrumsassistenz.

Sowohl seitens der Hochschule als auch der Universität wird ein Sprecher ernannt, der für die Vertretung des DWJZ nach außen unter anderem bei Antragstellungen verantwortlich ist. Es gibt regelmäßige Treffen aller Mitarbeitenden des DWJZ und des Kompetenzteams zur Absprache operativer, aber auch strategischer Themen. Informell erfolgt ein stetiger Austausch zwischen den Sprechern. Weiterhin kommunizieren und informieren sich die Wissenschaftler im Rahmen gemeinsam durchgeführter Forschungsprojekte oder bei der Betreuung des JEC.

Die hochschulübergreifende Lehre und Forschung wird befördert durch die Möglichkeit der Zweitmitgliedschaften von Professoren an der jeweils anderen Hochschule. Innerhalb des DWJZ verfügt aktuell ein Professor der Hochschule über eine Zweitmitgliedschaft und damit über das Prüfungs- und Promotionsrecht an der Universität.

Aktuell wird diskutiert, am DWJZ einen Beirat aus Vertretern der regionalen Wirtschaft und Wissenschaft einzusetzen, um die Transferleistungen des Zentrums noch stärker an den spezifischen Bedürfnissen der regionalen Unternehmen auszurichten.

Die Gründungsberatung ist in einem eigens dafür eingerichteten Raum untergebracht, während alle weiteren DWJZ-Beschäftigten über Arbeitsplätze an ihrer jeweiligen Hochschule verfügen. Dabei zeigen insbesondere die wissenschaftlichen Mitarbeiter den Bedarf, sich stärker über ihre Promotionsprojekte auch mit den Kollegen der jeweils anderen Hochschule auszutauschen. Ebenso geben die Professoren an, dass sie innerhalb gemeinsamer Forschungsprojekte noch stärker als bisher kooperieren möchten.

 

Ressourcen und Vertrag

Für die erste Förderphase von 2011 bis 2016 stellte die Dr. Werner Jackstädt-Stiftung 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Zusätzlich brachte die regionale Wirtschaft 250.000 Euro über einen Hochschulförderfonds ein, der von verschiedenen Unternehmensstiftungen sowie dem Hochschulförderverein des Arbeitgeberverbandes und der IHK im Jahre 2012 gegründet wurde. Damit konnte die vom Ministerium geforderte Summe zur Finanzierung der Wirtschaftswissenschaften an der Universität eingeworben werden.

Für die aktuelle zweite Förderphase (2016 bis 2019) werden wiederum Mittel der Jackstädt-Stiftung und der regionalen Wirtschaft sowie Landesmittel aus dem Struktur- und Exzellenzbudget zur Verfügung gestellt. Beide Hochschulen bringen Eigenleistungen bei den Personal- und Sachmitteln im Umfang von rund 50 Prozent ein. Die involvierten Professoren der Hochschule Flensburg erhalten für ihre Forschungstätigkeit gemäß § 8 Abs.4 der Lehrverpflichtungsverordnung eine entsprechende Lehrdeputatsermäßigung.

Voraussetzung für die aktuellen finanziellen Förderungen ist die Verstetigung des DWJZ. So haben beide Hochschulen innerhalb der Zielvereinbarungen mit dem Ministerium erklärt, ab 2019 die Grundstruktur des DWJZ vollständig aus Haushaltsmitteln zu finanzieren, während weiter Drittmittelprojekte über das DWJZ akquiriert werden. Darüber wurden bislang 3 Millionen Euro eingeworben.

 

Nutzen

Hochschulen

  • An der Universität ermöglicht die Kooperation die Einwerbung von Drittmitteln und fördert die Profilierung der Wirtschaftswissenschaften. Die Universität wird über ihr pädagogisches Profil hinaus stärker für die Bearbeitung mittelstandsrelevanter Themen wahrgenommen.
  • An der Hochschule konnte die Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft durch die Vergabe und Betreuung von Master- und Promotionsarbeiten optimiert werden und durch die gemeinsam eingeworbenen Stiftungsgelder Stellen im akademischen Mittelbau geschaffen werden.
  • Unter der Dachmarke DWJZ ist die gemeinsame Projekteinwerbung für beide Hochschulen erfolgreicher und schafft neue Kapazitäten für die Forschung, insbesondere für die Hochschule durch den Aufbau eines akademischen Mittelbaus. Zudem werden Leistungen jenseits der klassischen Kernaufgaben Forschung und Lehre, wie der Betrieb des JEC, ermöglicht.
  • Unter dem Dach des DWJZ entstehen immer wieder hochschulübergreifende Kooperationen, die thematisch motiviert sind und von der Eigeninitiative der Professoren getragen werden.
  • Der Professionalisierungsgrad des DWJZ insbesondere in der Projektbearbeitung und der Außendarstellung trägt dazu bei, dass sich die am DWJZ beteiligten Wissenschaftler stark mit der hochschulübergreifenden Einrichtung identifizieren und sie wiederum repräsentieren.
  • Die positive Außenwahrnehmung des DWJZ wirkt unterstützend bei der Rekrutierung neuer Wissenschaftler am Standort.

 
Region: Kleine und mittelständische Unternehmen und das Land

  • Die regionalen Forschungstätigkeiten fokussieren sich auf betriebswirtschaftliche Fragen mit hoher Relevanz für den Mittelstand vor Ort. Flensburg profiliert sich als Wissenschaftsregion.
  • Die regionale Wirtschaft vernetzt sich stärker mit den Wissenschaftseinrichtungen am Standort durch gemeinsame Veranstaltungen und kooperative Forschungsprojekte mit Unternehmen und Kammern vor Ort.
  • Die lokale Wirtschaft profitiert von den Gründungsaktivitäten in der Region, die vom DWJZ unterstützt werden. Die beiden Hochschulen haben zu einer auch von außen stärker wahrgenommenen innovativen Start-up-Szene in der Region beigetragen (siehe Prognos Zukunftsatlas 2016).
  • Durch Praktika und die Bearbeitung von Bachelor-, Master- und Promotionsarbeiten gewinnen regionale Unternehmen speziell für den Mittelstand qualifizierte (Management)Nachwuchskräfte. Ihr Verbleib in der Region wird begünstigt.