Lernorte

Leichter lernen während der Pandemie

Leerer Medienraum in der Corona-Pandemie (Foto: Screenshot)
Leerer Medienraum in der Corona-Pandemie (Foto: Screenshot)
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Wenn es im Studium Probleme gibt, dann sind die Mitstudierenden oft die ersten Ansprechpartner zur Lösung. Peer-Support heißt das in der Wissenschaftssprache und meint die Unterstützung durch eine Person, die sich in derselben oder in einer ähnlichen Situation befindet. Und an den Hochschulen funktioniert dieses System normalerweise recht gut. Nur im Sommersemester 2020 war alles anders. Denn da blieb der Campus coronabedingt leer, Lernen fand vor dem Computer zu Hause statt. Schwierig für Lasse, 24, Mathematikstudent im zweiten Semester, der eine Lerngruppe zur Veranstaltung „Lineare Algebra II“ sucht, oder für Hannah, 23, die einige Verständnisfragen zum digitalen Material in der Vorlesung „Klinische Psychologie“ hat. Lasse und Hannah gibt es in Wirklichkeit nicht. Es sind zwei Musterstudierende, die als mögliche Anwender für die App „uniMatchUp!“ erfunden wurden.

App wertet soziale Informationen aus

App Uni matchUp auf dem Handy (Foto:Screenshot)
App Uni matchUp auf dem Handy (Foto:Screenshot)
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„Apps, die Studierende miteinander vernetzen können, gibt es viele“, sagt Daniel Bodemer, Professor für Psychologische Forschungsmethoden an der Universität Duisburg-Essen. Aber noch keine, die das Konzept der „Group-Awareness-Informationen“ berücksichtigt. Gemeint ist damit, dass wir im Umgang mit Menschen viele soziale Informationen sammeln: Wie freundlich, hilfsbereit, engagiert oder kompetent ist unser Gegenüber? Und was sagen andere über ihn oder sie? Diese Einschätzungen sind im Rahmen von rein digitalem Austausch nicht verfügbar. Deshalb hat Bodemer gemeinsam mit Studierenden des Studiengangs Angewandte Kognitions- und Medienwissenschaft „uniMatchUp!“ an den Start gebracht. 

Eingabemaske uniMatchUp (Foto: Screenshot)
Eingabemaske uniMatchUp (Foto: Screenshot)
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Blick in die App, die dem Konzept der sogenannten Group-Awareness-Informationen folgt.

Wer sich in dieser App als Teilnehmer einträgt, hinterlässt in seinem Profil nicht nur Angaben, womit er sich im Studium auskennt. Er oder sie wird zusätzlich auch von anderen Teilnehmern bewertet, wie freundlich er im Umgang ist. Außerdem registriert das System, wer Anfragen im Forum wie schnell beantwortet. Musterstudentin Hannah, die akut Hilfe braucht, kann also bewusst nach besonders aktiven Teilnehmern suchen, Musterstudent Lasse, dem an einem guten Klima in seiner geplanten Lerngruppe gelegen ist, nach besonders netten. Außerdem nutzt die App die wissenschaftliche Erkenntnis, dass Lerngruppen mit unterschiedlichem Kompetenzniveau am effektivsten zusammenarbeiten, um automatisch mögliche Lernpartner vorzuschlagen.

„Wir hacken das digitale Sommersemester“

Auslöser für dieses nützliche Tool, das im November 2020 an den Start gegangen ist, war der bundesweite Hackathon zur digitalen Hochschulbildung #SemesterHack, veranstaltet von dem Hochschulforum Digitalisierung (HFD; siehe Kasten), dem KI-Campus und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) im Mai dieses Jahres. Ziel des Onlinearbeitstreffens war es, innerhalb von 36 Stunden Ideen und Lösungen für die Herausforderungen des digitalen Sommersemesters zu erarbeiten. Daniel Bodemer nahm mit zwölf Studierenden, zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern und der gemeinsamen Projektidee teil. Und innerhalb der kurzen vorgegebenen Zeit entstanden eine erste lauffähige Software und eine vorzeigbare Präsentation des Produktes. „Das Projekt hat so viel Fahrt aufgenommen innerhalb dieser 36 Stunden, dass ich wirklich beeindruckt war“, sagt der Hochschullehrer. Ohne den Hackathon, meint er, wäre das nicht möglich gewesen. Mit seinem Team hätte er vielleicht mal an einer Ausschreibung zum E-Learning an der Hochschule teilgenommen, „aber eben eher nebenbei“.  

 

So aber wurde „uniMatchUp!“ – eines von insgesamt 76 eingereichten Ergebnissen der rund 1.000 Teilnehmer – von der Jury als eines der besten drei Projekte gekürt und mit 2.000 Euro Preisgeld belohnt. Alle Teilnehmer, sagt Bodemer, seien „euphorisiert“ gewesen und entsprechend motiviert, an der Entwicklung weiter dranzubleiben. Das war auch tatsächlich gefordert. Denn das BMBF bot insgesamt vier Hackathon-Teams eine viermonatige Förderung in Höhe von insgesamt 270.000 Euro von Anfang September bis zum Ende des Jahres an, um die Projekte auf den Weg zu bringen. So kam neben „uniMatchUp!“ auch „Digital Lehren lernen“ an der Goethe-Universität Frankfurt am Main in Fahrt. Dahinter steht die Idee, dass Lehramtsstudenten über die Plattform „Corona School“ Schülern Onlinenachhilfe erteilen und sich dieses Engagement als Teil ihres Pflichtpraktikums anerkennen lassen. Inzwischen nutzen rund 60 Studierende diese Möglichkeit.

Hochschulforum Digitalisierung

Das Hochschulforum Digitalisierung (HFD) orchestriert den Diskurs zur Hochschulbildung im digitalen Zeitalter. Die gemeinsame Initiative von Stifterverbandes, CHE Centrum für Hochschulentwicklung und Hochschulrektorenkonferenz informiert, berät und vernetzt es seit 2014 Akteure aus Hochschulen, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei stehen vor allem drei Ziele im Vordergrund: (1) Umsetzung von Hochschulstrategien (2) Kompetenzaufbau in der Lehre und (3) Kompetenzaufbau in der Lehre. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Zur Website des HFD

„Über sich selbst nachzudenken, sich selbst einzuschätzen, das hilft nicht nur anderen, sondern unterstützt auch bei der eigenen Lernplanung.”

Daniel Bodemer (Foto: privat)
Daniel Bodemer (Foto: privat)
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Daniel Bodemer
Professor für Psychologische Forschungsmethoden an der Universität Duisburg-Essen

Von der Idee bis zur App in sechs Monaten

Die drei Gewinnerprojekte überzeugten dadurch, dass sie während des Hackathons schon ziemlich konkrete Formen angenommen hatten. Und außerdem auch aus wissenschaftlicher Perspektive förderfähig waren, sagt Florian Rampelt vom Stifterverband. Das Konzept der „Group-Awareness-Informationen“ zum Beispiel, das hinter „uniMatchUp!“ steht, fußt auf Daniel Bodemers psychologischer Forschung zu Einflussfaktoren auf die Studienzufriedenheit. Mit der praktischen Umsetzung der App und der Evaluierung des Nutzerverhaltens sind jetzt zwei voll bezahlte Mitarbeiter und eine studentische Hilfskraft beschäftigt. Mit dieser Manpower konnte die Anwendung schnell an den Start gehen.

Ab November steht die App allen Studierenden in Duisburg-Essen zur Verfügung, die Veranstaltungen aus dem Fachbereich Betriebswirtschaft oder Informatik belegen. Spannend wird dann noch einmal, wie die Nutzer sie abschließend bewerten. Bodemer gibt zu, dass die Eingangshürden etwas höher sind, weil alle Teilnehmer zu Beginn erst einmal ihre eigenen Kompetenzen eintragen und bewerten müssen. „Aber das hat auch einen zusätzlichen positiven Effekt: Über sich selbst nachzudenken, sich selbst einzuschätzen, das hilft nicht nur anderen, sondern unterstützt auch bei der eigenen Lernplanung.“  

Screenshot SemesterHack 2.0
Screenshot SemesterHack 2.0
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Und weiter geht’s

Der #SemesterHack am 6. und 7. Mai 2020 diente gleichzeitig als Pre-Hackathon für ein globales Brainstorming. Das HFD veranstaltete am 12. und 13. November im Rahmen des globalen #DigiEduHack der Europäischen Kommission einen #SemesterHack 2.0 gemeinsam mit dem KI-Campus und dem DAAD.

Mehr zu den Ergenissen und eine Übersicht der prämierten Projekte gibt es hier.

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