Lehre

"Eine demokratische und offene Gesellschaft ist ohne Journalismus nicht möglich."

Foto: istock/badahos
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Herr Meier, Journalismus verändert sich. Wie halten Sie sich dabei auf dem Laufenden, was in der Praxis passiert?
In der Tat ist das nicht so einfach. Ich beneide manchmal die Kollegen aus den Naturwissenschaften und der Mathematik, die ihre Lehrveranstaltungen nur mit neuen Forschungsergebnissen aktualisieren müssen. Bei uns ändert sich zudem der Forschungsgegenstand sehr rasant. Deshalb halte ich mich auf vielfältige Weise auf dem Laufenden: Zunächst sichte ich regelmäßig internationale Fachzeitschriften. Besonderes Interesse habe ich an Publikationen mit Forschungserkenntnissen zu Innovationen und neuen Entwicklungen im Journalismus. Ich bin zum Beispiel Mitglied im Editorial Board von „Digital Journalism“.

Dann verfolge ich regelmäßig Mediendienste, Medienseiten und Zeitschriften, für die Journalisten über aktuelle Entwicklungen in der eigenen Branche berichten. Außerdem bin ich über Facebook mit etlichen Chefredakteuren, klugen Köpfen des Journalismus und auf meinen Gebieten arbeitenden Wissenschaftlern aus verschiedenen Ländern vernetzt. Nicht zuletzt treffe ich häufig innovativ arbeitende Journalisten durch Lehr- und Forschungsprojekte, in denen wir uns mit der Praxis vernetzen. Was ist mir noch wichtig? Besuche von Konferenzen im In- und Ausland mit den Zielgruppen Wissenschaftler und Journalisten.

Die Redaktionen sind massiv im Umbruch. Corporate Content und Social Media verändern die publizistische Landschaft. Können Sie Ihren Studenten mit gutem Gewissen den Journalismus weiterhin empfehlen?
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass professioneller, also hauptberuflicher Journalismus überleben wird. Dazu haben wir auch eine Menge an Forschungserkenntnissen. Eine demokratische, offene, pluralistische Gesellschaft ist ohne Journalismus nicht möglich. Diejenigen, die den Journalismus und die für Qualitätsjournalismus stehenden Medienunternehmen bekämpfen, sind Feinde der Demokratie. Das Wort „Lügenpresse“ ist ein politischer Kampfbegriff. Sogenannte Fake News sind Propaganda mit dem Ziel, Wahlen und andere demokratische Entscheidungen zu beeinflussen. Paradebeispiel dafür ist US-Präsident Donald Trump, der den Begriff gerne benutzt, um missliebige Berichterstattung zu diskreditieren. Er selbst aber nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau. Auch die Brexit-Entscheidung wurde durch falsche Angaben massiv beeinflusst. Im Bundestagswahlkampf in Deutschland 2017 waren alle sehr sensibilisiert, weshalb es keine größeren Auswüchse gab, nur manchmal irreführende Angaben und falsche Zahlen etwa zu Stickoxidwerten – und zwar in diesem Fall von den Parteien FDP, AfD und CSU.

Die Menschen merken, dass es eine unabhängige Instanz braucht, die Themen prüft, wenn sie öffentlich werden. Deshalb ist in der breiten Bevölkerung in jüngster Zeit das Bewusstsein für einen bestimmten Journalismus gestiegen. Die Menschen wollen einen Journalismus, der Fakten recherchiert und gegencheckt, aber auch finanziert werden muss. Junge Journalisten, die wie zum Beispiel bei uns an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt mehrmedial für Print, Radio, TV, Internet und Social Media ausgebildet werden, lernen Medientrends und -innovationen einzuschätzen – auf einer gesunden skeptischen Basis journalistischer Ethik. Die so ausgebildeten jungen Menschen werden immer gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt haben, heute genauso wie vor 20 Jahren. Das bestätigen unsere regelmäßigen Absolventenbefragungen.

Woher kommt Ihre Motivation, den Studenten das Fach so anschaulich darzustellen?
Ich habe vor meinem Studium eine zweijährige Ausbildung zum Journalisten bei einer Tageszeitung durchlaufen und war als Journalist für mehrere Medien tätig, unter anderem  ein halbes Jahr als Lokalredakteur und ein halbes Jahr fürs Bayerische Fernsehen. Bei meinem Journalistikstudium ging es mir darum, mehr über diesen für die Demokratie so wichtigen Beruf zu erfahren. Für mich im Fokus stand vor allem, wissenschaftliches Wissen abzugreifen, das der journalistischen Praxis hilft, besser zu werden. Das war vor 25 Jahren nicht so richtig befriedigend, weil sich die Kommunikationswissenschaft damals noch nicht so umfassend um die Probleme der Praxis gekümmert hat. Als ich dann den wissenschaftlichen Berufsweg einschlug, habe ich mir ein großes Ziel vorgenommen: Sowohl in der Forschung als auch in der Lehre wollte ich kommunikationswissenschaftliche Theorie und Journalismusforschung mit journalistischer Praxis verknüpfen. Das ist immer wieder eine Herausforderung, aber ich merke zunehmend, dass es auf vielfältigen Ebenen gelingt. Das ist es auch heute noch, was mich antreibt. Und vermutlich hat dieser Anspruch und was de facto in der Lehre daraus geworden ist, die Jury des Ars legendi-Preises überzeugt. Es ging ja in diesem Jahr um die Praxisbezüge des Studiums und die kann man nur umsetzen, wenn man auch Praxisbezüge in die Forschung integriert.

Mehr über Klaus Meier

Klaus Meier ist am Lehrstuhl für Journalistik der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt tätig. Er ist neben der Lehre auch der journalistischen Praxis verbunden, etwa durch die Mitarbeit am Standardwerk „Einführung in den praktischen Journalismus“. Zudem widmet er sich dem  Online-Journalismus. Er absolvierte ein Volontariat bei der „Frankenpost“ in Hof und war anschließend sowohl Redakteur als auch freier Journalist, etwa für die Süddeutsche Zeitung oder beim Bayerischen Rundfunk. Meier ist Träger des Ars legendi-Preises 2017. Den mit insgesamt 50.000 Euro dotierten Preis vergeben der Stifterverband und die Hochschulrektoren­konferenz. Es ist die bundesweit bedeutendste Auszeichnung für die Lehre.

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