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Weniger Handlungs­spielräume und wachsende Unsicherheit: zivilgesell­schaftliches Engagement in Gefahr

20.01.2021

Die sozialen und ökonomischen Grundlagen vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen sind in Gefahr. Die fortdauernden Einschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie führen zu einem Rückgang ehrenamtlichen Engagements und finanziellen Engpässen. Das zeigt der Bericht "Weniger Handlungsspielräume trotz besonderer Leistungen", den die ZiviZ gGmbH im Stifterverband veröffentlicht hat.

Der Bericht "Weniger Handlungsspielräume trotz besonderer Leistungen" basiert auf Zahlen des Engagement-Barometers. ZiviZ befragte in dem zweiten Panel Führungskräfte von Verbänden und Infrastruktureinrichtungen sowie Organisationen der Zivilgesellschaft zu ihrer Situation während der Corona-Pandemie: Welchen Schaden verursacht die sogenannte Corona-Krise in der Zivilgesellschaft? Wie trägt die Zivilgesellschaft zur Krisenbewältigung bei? Wie verändern sich krisenbedingt Formen der Zusammenarbeit im Engagement?

Gemeinnützige Organisationen stehen vor großen Herausforderungen: Die Bereitschaft zu helfendem Engagement lässt nach, die Anforderungen an Führungskräfte in den Vereinen steigen, und die Mitgliederzahlen sind rückläufig. Während noch zu Beginn der Corona-Pandemie ein explosionsartiger Anstieg von spontanem und informellem Engagement zu beobachten war, lässt dies nun nach. Nur einer von vier Befragten gab an, sich zurzeit mit vielen Engagierten einbringen zu können. Zudem geben 17 Prozent der Befragten an, dass es in Vereinen zu pandemiebedingten Kündigungen von Mitgliedschaften kommt. Bei einer Gesamtzahl von ungefähr 600.000 Vereinen in Deutschland (ZiviZ-Survey 2017) könnten also rund 100.000 Vereine von pandemiebedingten Mitgliederaustritten betroffen sein. Fast drei von vier Organisationen berichten von sehr hohen Anforderungen an ihre Führungskräfte, die durch die Umstellung von Organisationsstrukturen und -abläufen und zurückgehende Engagiertenzahlen zunehmend überlastet sind. Bereits erprobte Konzepte zur Bindung von Engagierten und Interessierten sollten innerhalb der Praxis ausgetauscht und eingesetzt werden. Gerade digitale Instrumente sind hier ein wichtiges Potential. 

Trotz starker Einnahmeeinbußen beantragt nur fast jede vierte Organisation staatliche Soforthilfen
Nicht nur durch rückläufige Mitgliedschaftsbeiträge haben gemeinnützige Organisationen mit finanziellen Engpässen zu kämpfen. Bewährte Finanzierungsquellen wie Einnahmen durch Veranstaltungen und Verkaufserlöse sind kaum noch möglich. 82 Prozent der Befragten sprechen von einem teils starken Rückgang selbsterwirtschafteter Mittel, und fast jeder Vierte verzeichnet Verluste bei Mitgliedschaftsbeträgen. Trotzdem haben 78 Prozent aufgrund der aktuellen Lage keinen Antrag auf die vom Staat angebotenen Soforthilfen für gemeinnützige Organisationen gestellt. Jeder Zweite gab an, die Kriterien nicht erfüllen zu können. Eine noch breitere Kommunikation der Informationen zu Soforthilfeprogrammen der Länder und des Bundes sowie enge Beratung während der Antragsprozesse kann helfen, damit noch mehr betroffene Organisationen Liquiditätsengpässe überwinden können. 

Gefährdete Zukunft trotz großartiger Leistung
Gemeinnützige Organisationen haben seit Pandemiebeginn Außerordentliches geleistet. Gerade in der Krise haben sie wichtige Aufgaben übernommen, um Menschen in Notlagen zu unterstützen. Dennoch berichtet jeder Zweite, dass sich Entmutigung breitmacht. So sehen viele die Bindung von Engagierten (70 Prozent) und Mitgliedern (61 Prozent) als unmittelbare Kernherausforderungen. Der Wert des ehrenamtlichen Engagements für jeden Einzelnen sowie für die gesamte Gesellschaft muss folglich stärker herausgestellt werden. So kann Menschen wieder Mut gemacht werden, sich ehrenamtlich einzubringen und Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen.

 

ZiviZ im Stifterverband ist ein unabhängiges Forschungs- und Beratungshaus zu den Themen Zivilgesellschaft und bürgerschaftliches Engagement. Seit 2008 hat ZiviZ systematisch zur Verbesserung der Datenlage zur organisierten Zivilgesellschaft in Deutschland gearbeitet. 2012 wurde erstmals für Deutschland ein repräsentativer Survey über Vereine, Stiftungen, Genossenschaften und Stiftungen durchgeführt. Mit dem Corporate Citizenship-Survey hat ZiviZ beginnend in 2018 zudem erstmals eine repräsentative Erhebung zum gesellschaftlichen Engagement von Unternehmen aufgesetzt. Ein weiterer Themenschwerpunkt bildet die Arbeit zum digitalen Wandel von Zivilgesellschaft und die Förderung digitaler Innovationen.

Pressekontakt

Peggy Groß (Foto: Damian Gorczany)

Peggy Groß

ist Pressesprecherin des Stifterverbandes.

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Birthe Tahmaz (Foto: Damian Gorczany)

Dr. Birthe Tahmaz

ist Programmleiterin und Mitglied der Geschäftsführung bei ZiviZ im Stifterverband.

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