Robert Schlögl warnt vor zu viel Staat bei der Energiewende

"Ich persönlich plädiere dafür, lieber einmal einen großen Strich zu ziehen und eine Art Energiewende 2.0 anzufangen, wo wir versuchen, die ideologischen Gräben zu vergessen."

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Robert Schlögl (Video)
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Der Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung und Vizepräsident der Leopoldina sieht die Rolle des Staates bei der Energiewende kritisch: Vorschriften, die alles bis ins kleinste Detail regeln, blockierten den unternehmerischen Anreiz, etwas zu tun. Robert Schlögl plädiert für eine technologieoffene Energiewende, die es den Märkten und auch den Nutzern überlässt, selbst den Weg zu finden, fossile Brennstoffe zu ersetzen. Es gebe auf diesem Planeten mehr als genug erneuerbare Energie, nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Deswegen brauche man einen globalen Austausch, eben einen Weltmarkt.

Das Video entstand am Rande des Forschungsgipfels 2023 in Berlin.

 

Transkript des Videos

Der Staat nimmt für sich in Anspruch, alles und jedes bis ins Detail vorzuschreiben. Damit entfallen unternehmerische Freiheiten. Es entfallen natürlich auch unternehmerische Risiken, aber es entfällt natürlich auch der unternehmerische Anreiz, etwas zu tun. Und genau deswegen geht es bei uns auch nicht weiter.

Wir sind in der Leopoldina ganz sicher dafür, die Energiewende technologieoffen zu gestalten, das heißt, es den Unternehmen, den Märkten und auch den Nutzern zu überlassen, was eigentlich die richtige Möglichkeit ist, um die Defossilisierung zu erreichen. Und was da unbedingt geschehen muss, ist ein Gedankenwandel in den ausführenden politischen Organen, eben nicht alles vorzuschreiben und auch nicht vorzudenken, wie zum Beispiel im Klimaschutzgesetz, wieviel CO2 in welchem Jahr einzusparen ist. Das ist eine völlig unmögliche Vorstellung, sondern man muss einen Freiraum schaffen, aber dieser Freiraum muss natürlich harte Bandagen haben. Denn wenn man den wilden Kapitalismus auf diese Frage loslassen würde, dann würde alles mögliche passieren, nur keine Energiewende. Weil eben die Tatsache, dass das Klima zu schützen ist, etwas ist, was wir nicht mit Geld aufwiegen. Das muss der Staat erzwingen, dass mit Geld aufgewogen wird, und dafür hat er ja auch Regeln geschaffen. Und ich darf auch sagen: Das sind auch alles schlaue Regeln. Es ist nicht so, dass der Staat grundsätzlich immer alles falsch macht, sondern der grundsätzliche Ansatz ist schon richtig. Aber die Detailtiefe, in der der Staat meint, das regeln zu müssen, die ist falsch. 

Die Wissenschaft hat schon viele Vorleistungen erbracht. Also, es gibt ganz viel Wissen darüber. Es wäre halt sinnvoll, wenn alle Beteiligten sich auf denselben Status des Wissens begeben würden und von da aus miteinander agieren. Das ist aber nicht der Fall, weil durch die mangelnde Tätigkeit des Staates als Führungsstruktur für die Energiewende sich halt ideologische Gräben aufgetan haben, die heute intensiv gepflegt werden und die es verhindern, dass man eigentlich eine sachliche Diskussion führt.

Das ist ein Versäumnis, das wir nicht wiedergutmachen können, und ich plädiere persönlich dafür, lieber einmal einen großen Strich zu ziehen und eine Art Energiewende 2.0 anzufangen, wo wir versuchen möchten, die ideologischen Gräben zu vergessen. Ich stelle einfach fest, dass die Energiewende von Anfang an falsch aufgesetzt worden ist, weil sie als eine Stromwende diskutiert worden ist und weil sie in einem nationalen Rahmen diskutiert worden ist. Daher stammt die heute überkommene, aber immer noch sehr gefestigte Vorstellung, dass die Energiewende ein Suffizienzmodell hat, das heißt, wir können nur soviel Energie verbrauchen wie wir in Deutschland herstellen können. Und dass es ein all-elektrisches Modell ist, das heißt, es wird grundsätzlich nicht zugelassen, dass es andere Energieträger gibt als Strom. Die E-Fuels-Diskussion, die wir gerade haben, ist ein schönes Beispiel dafür. Beide Ansätze sind falsch.

Falsch an der ganzen Sache ist natürlich, dass die Vorstellung, dass wir nur wenig Energie zur Verfügung haben, weil erneuerbare Energie, die wir in Deutschland herstellen, sehr wertvoll ist, ist nicht haltbar, denn es gibt auf diesem Planeten mehr als genug erneuerbare Energie, nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Und deswegen braucht man einen globalen Austausch, und das nennt man in aller Regel Weltmarkt. Und eigentlich hätte Deutschland von Anfang an darauf dringen müssen, einen Weltmarkt für erneuerbare Energien zu schaffen. Das wurde aber aus ideologischen Gründen abgelehnt, weil es eine erhebliche Anzahl an Vertretern gibt, die meinen, dass die industriellen Umbauten oder die Deindustrialisierung unseres Landes eigentlich eine zwanghafte Voraussetzung einer schönen Energiewende ist. Und das lehne ich natürlich ab.

Unsere Freunde in Amerika haben eine pragmatische Herangehensweise an die Problematik. Die haben zuerst mal zehn Jahre nichts gemacht, das muss man auch ganz deutlich sagen. Aber dann ist ihnen, so wie uns, klar geworden, dass das nicht geht, und man braucht jetzt einen schnellen, wirksamen Ansatz. Deswegen hat man sich nicht für eine systemische Analyse entschlossen, sondern hat beschlossen, punktuell führen wir jetzt Wasserstoff ein mit allen Derivaten, und wir machen das auch mit einem staatlichen Anreizprogramm, das allerdings nicht dadurch gesteuert wird, dass man diesen Anreiz wirklich braucht, sondern dass man eben gleichzeitig auch eine mögliche Wirtschaftsschwäche vermeiden möchte. Deswegen heißt das auch Inflation Reduction Act. Der Vorteil, den die Amerikaner gewählt haben, ist, dass sie nicht auf Subventionen setzen, sondern dass sie den Gewinn aus der Umsetzung der Energiewende unterstützen. 

Das erzeugt natürlich eine gewaltige Triebkraft für die Menschen, weil sie müssen erst einmal Gewinn erzielen, damit sie zusätzlichen Gewinn einsammeln können. Das ist viel schlauer als wie wir das machen, dass wir nämlich den Prozess subventionieren. Ob da am Ende ein Gewinn herauskommt und ob der Prozess funktioniert, ist im europäischen System nicht so wichtig. Das spielt dort keine Rolle, während in dem amerikanischen System das der Erfolgsfaktor ist. Das ist eine sehr schlaue Methode, die allerdings voraussetzt, dass es genügend Akteure gibt und genügend Aktionsfreiraum, dass sich tatsächlich tragende Geschäftsmodelle entwickeln können. Das will man bei uns nicht, weil man sehr daran glaubt, dass der Staat alles organisieren muss. Deswegen gibt es die unendlich vielen Regelungen und die sogenannte regulitis germanica, die dazu führt, dass alles mögliche bis ins Detail vorbestimmt wird. Dann gibt es eben keinen Freiraum für unternehmerische Entscheidungen. Ich halte den deutschen Weg für falsch. Ich bin nicht sicher, ob der amerikanische Weg sinnvoll ist, weil natürlich da auch wieder Machtinteressen mit der Energiewende sehr eng verknüpft werden und es nicht so ist, dass es nur darum geht, Amerika jetzt zu defossilisieren, sondern es geht darum, die Macht von Amerika auszubauen, und man benutzt die Energiewende auch wiederum nur als Vorwand. Ich sehe als Leopoldina-Mitglied das als ein fundamentales Problem an, dass eben weil man die Energiewende nicht versteht, man das Argument Energiewende und Klimaschutz verwendet, um ganz andere Ziele anzustreben und zu erreichen, die eigentlich viel mehr etwas mit Macht und Strukturen zu tun haben als wie tatsächlich das Klima unseres Planeten zu retten.