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Meinung

Innovationssystem

Welche Chancen in den neuen Ministerien stecken

Cem Özdemir und Dorothee Bär bei der Amtsübergabe Mai 2025
Cem Özdemir und Dorothee Bär bei der Amtsübergabe Mai 2025 (Foto: Ricken/BMBF)

Deutschland braucht eine starke und mutige Innovationspolitik – diese Überzeugung gilt nicht erst seit dem jüngsten Wahlkampf. Immer wieder konnten wir in Sonntagsreden hören, dass nur Bildung, Forschung und Innovation die Wettbewerbsfähigkeit und damit Wohlstand sichern können.  Dennoch blieb im Dickicht von Ressorts, Strategiepapieren und Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und der EU der Eindruck eines Priorisierungs-, Koordinations- und Umsetzungsdefizits. 

Gemeinsame Missionen fehlen. Strategisch vereinbarte Missionen wurden nicht in Ziele, Roadmaps – also gemeinsam entwickelte, umsetzungsorientierte Fahrpläne mit Zuständigkeiten, Zeitachsen und ausreichend wirksame Maßnahmen übersetzt. Das politische Handeln war geprägt durch fragmentierte Diskussionen über Zuständigkeiten sowie kleinteilige Prozess- und nicht Ergebnissteuerung. Entscheidungsfindung und Umsetzung dauern zu lange.  

Mehr Innovation fürs Forschungsministerium. Der Stifterverband hat daher – gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft – einen Neuzuschnitt des zuständigen Ministeriums gefordert: Die Forschungs- und Innovationspolitik muss als ein zentrales Politikfeld der kommenden Legislaturperiode in einem neuen Ministerium gebündelt und als ein entscheidender Hebel in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik begriffen werden. Die neuen Ressortzuschnitte machen Hoffnung – nicht nur für Forschung und Innovation, sondern auch für die Bildung. 
 

Andrea Frank
Andrea Frank (Foto: Marcel Schwickerath/ Stifterverband)

„Das Ministerium kann eine entscheidende Rolle bei der Stärkung des Technologie­transfers von Forschungs­ergebnissen spielen.“

Andrea Frank
Stellvertretende Generalsekretärin des Stifterverbandes

Innovationspolitik aus einer Hand. Das neu geschaffene Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) bietet die Chance, neue Impulse für die Innovationspolitik in Deutschland zu setzen. Drei Erwartungen:  

  1. Die Bündelung der Zuständigkeiten für Forschung, Technologie und Raumfahrt in einem Ministerium macht eine integrierte und kohärente Strategieentwicklung möglich, von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung und von der Produktentwicklung bis zur Marktdurchdringung. Die Hoffnung ist, durch weniger Abstimmungsschleifen schneller und pointierter zu strategischen Handlungsfeldern, Zielen und Verantwortlichkeiten zu kommen.   
  2. Der neue Zuschnitt und das neue Gewicht des BMFTR hat das Potenzial, die Wahrnehmung von Innovationspolitik als Querschnittsaufgabe zu stärken, und zwar nicht nur in der Politik, sondern auch in Wissenschaft und Gesellschaft. Dafür gilt es, sie eng mit anderen Politikfeldern  zu verzahnen und sowohl am Kabinettstisch als auch in der Öffentlichkeitarbeit die Rolle von Innovation als zentraler Treiber für Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand und zur Lösung aktueller Herausforderungen zu betonen.
  3. Das Ministerium kann eine entscheidende Rolle bei der Stärkung des Technologietransfers von Forschungsergebnissen spielen. Förderimpulse könnten entlang der Anforderungen der Hochschulen, Unternehmen und gesellschaftlichen Innovationsakteure aus einer Hand konsolidiert und (neu) entwickelt werden. Das gilt beispielhaft für die Stärkung von Innovationsökosystemen, wo akademische und unternehmerische Forschung zusammenkommen und Instrumente von der Exzellenzstrategie bis zu den Startup-Factories ineinandergreifen müssen. Am Ende sollte aus exzellenter Forschung mehr Wertschöpfung und gesellschaftlicher Wandel entstehen – auch daran wird sich das Ministerium messen lassen müssen.  

Damit dieses Potenzial jedoch voll ausgeschöpft werden kann, braucht es mehr als nur eine neue Struktur. Überfällig ist eine klare Priorisierung von Zielen und eine konsequente Umsetzungsorientierung. Strategisch vereinbarte Missionen müssen in konkrete Ziele, Roadmaps und wirksame Maßnahmen übersetzt und deren Erfolg überprüft werden. 

Stimmen zur innovationspolitischen Veranstaltung zur Bundestagswahl

Auf dem Forum Innovation zur Richtungswahl 2025 kamen am 30. Januar 2025 in Berlin Spitzenvertreterinnen und Spitzenvertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und aus der Politik zusammen, um zu diskutieren, welche innovationspolitischen Weichen in der neuen Legislaturperiode gestellt werden müssen. Das Austauschforum hatten Stifterverband, Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und VolkswagenStiftung initiiert.

Zum anderen bedarf es einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Und dies sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene. Nur durch einen intensiven Dialog sowie eine verbindliche gemeinsame Gestaltung der Innovationspolitik können in einem zunehmenden Wettbewerb und unter volatilen globalen Verhältnissen die Stärken des Standorts Deutschland in Forschung und Innovation wirklich einen Unterschied machen. Dafür ist der Ressortzuschnitt eine Grundlage, politisches Gewicht und Lust auf Kooperation mit den politischen Verantwortlichen in den anderen Ressorts die Voraussetzung für den Erfolg. 

Bildungsbiografien aus einer Hand begleiten. Als Stifterverband liegt uns neben Forschung und Innovation die zukunftsorientierte Gestaltung des Bildungssystems gleichermaßen am Herzen. Das neue Zuhause für die Bildungspolitik bietet Chancen. Im neuen Ministerium ist für die gesamte Bildungsbiografie verortet, von der Kita bis zum lebenslangen Lernen.  
 

Bildungsbiografien aus einer Hand begleiten. Als Stifterverband liegt uns neben Forschung und Innovation die zukunftsorientierte Gestaltung des Bildungssystems gleichermaßen am Herzen. Das neue Zuhause für die Bildungspolitik bietet Chancen. Im neuen Ministerium ist für die gesamte Bildungsbiografie verortet, von der Kita bis zum lebenslangen Lernen. 

Die richtige Ausnahme ist die Hochschulbildung, Forschung und Lehre an Hochschulen bleibt in gemeinsamer Verantwortung im Forschungsministerium angesiedelt. Der Koalitionsvertrag verspricht unter anderem, gemeinsam mit den Ländern für die nächste Dekade relevante und messbare Bildungsziele zu vereinbaren sowie eine datengestützte Schulentwicklung voranzubringen.

Karin Prien Porträt
Karin Prien (Foto: Dominik Butzmann / photothek)
Karin Prien ist neue Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Auch hier weht ein neuer Wind: Eine Orientierung an kollaborativ entwickelten, gemeinsamen Zielen und einem starken Umsetzungsfokus – sozusagen: Missionsorientierung und Roadmapping für die Bildung. Mit der Initiative Bessere Bildung 2025 - einem parteiübergreifenden Impuls für messbare Bildungsziele - hat die zukünftige Ministerin gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus den Bundesländern, begleitet von der Wübben Stiftung, bereits vorgelegt.  

Die neue Struktur und der Koalitionsvertrag zeigen: Das Priorisierungs-, Koordinations- und Umsetzungsdefizit ist erkannt. Das Bekenntnis zur Kooperation mit den Ländern ist in allen drei Zukunftsthemen prominent. Die neuen Ressortzuständigkeiten können dazu beitragen, fokussierter, schneller und besser abgestimmt Deutschland als Bildungs-, Forschungs- und Innovationsstandort wieder an die Spitze zu bringen. Kritische Stimmen erwarten von der Neuausrichtung nur alten Wein in neuen Schläuchen, der zudem viel Selbstbeschäftigung in den kommenden Monaten bedeutet. Doch ein „Weiter so“ sollte nicht die Alternative sein. Am Ende zählt das Ergebnis, dass der richtigen Form jetzt eine entschiedene politische Umsetzung folgt. Ich bin gespannt.  
 

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