Offen für alle –
ein neues MRT für die Welt

Ausgezeichnet mit dem Deutschen Zukunftspreis 2023

Die Magnetresonanztomographie, kurz MRT, hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem der wichtigsten medizinischen Untersuchungsverfahren entwickelt. Sie ermöglicht einen detaillierten Blick in den menschlichen Körper und liefert hochaufgelöste Bilder vor allem von Organen und anderen Weichteilen im Körper. Damit schafft die Technik die Grundlage für eine zuverlässige Diagnose einer Vielzahl von Erkrankungen oder innerer Verletzungen. Doch auch 40 Jahre nach ihrer Einführung ist ein Einsatz der MRT in Kliniken und Arztpraxen noch längst nicht überall möglich. Dem stehen verschiedene Hürden im Weg. Wie lassen sie sich beseitigen?

Deutscher Zukunftspreis 2023 (Nominiertes Team I) (Foto: Ansgar Pudenz/DZP)
Foto: Ansgar Puden/DZP
  • Dr.-Ing. Stephan Biber, Siemens Healthineers AG, Erlangen (Sprecher des Teams)
  • Dr. rer. nat. David M. Grodzki, Siemens Healthineers AG, Erlangen
  • Prof. Dr. med. Michael Uder, Universitätsklinikum Erlangen

Die drei Nominierten haben eine neuartige Plattform für die Magnetresonanztomographie entwickelt und dafür radikal mit dem Paradigma "immer größer und stärker" des bisherigen technologischen Fortschritts auf diesem Gebiet gebrochen. Dem Team gelang es erstmals, mithilfe der MRT hochaufgelöste und medizinisch aussagekräftige Aufnahmen des Körperinneren auch bei vergleichsweise schwachen Magnetfeldern zu erreichen – und dadurch sowohl die technische Komplexität als auch die Kosten der Geräte deutlich zu reduzieren.

Das Prinzip der Magnetresonanztomographie beruht auf den magnetischen Eigenschaften von Atomkernen des Wasserstoffs – einem chemischen Element, das überall im Körper in unterschiedlich hoher Konzentration vorhanden ist. Durch ein Magnetfeld lassen sich die sonst zufällig orientierten Spins der Kerne wie Kompassnadeln überwiegend parallel ausrichten. Anschließend werden sie durch einen Radiowellen-Impuls aus dieser Richtung ausgelenkt. Das MRT-System misst die Reaktion der Wasserstoff-Kerne. Durch zusätzlich angelegte Magnetfeldgradienten lassen sich die Reaktionen in verschiedenen Körperbereichen exakt voneinander unterscheiden. Die daraus resultierenden Bilder liefern Medizinern Informationen, die auf andere Weise nicht verfügbar wären. So lassen sich rheumatische Gelenkentzündungen aufspüren, lange bevor die Knochenzerstörung im Röntgenbild sichtbar wird. Nach einem Herzinfarkt ist zuverlässig feststellbar, wo der Herzmuskel durch einen Gefäßeingriff gerettet werden kann. Und bei Lebertumoren zeigt sich präzise, welches Gewebe sich bei einer Operation schonen lässt, ohne den Erfolg des Eingriffs zu gefährden.

Die räumliche Auflösung der Aufnahmen wächst mit zunehmender Magnetfeldstärke. Daher verlief die Entwicklung bei neuen Generationen von MRT-Scannern in den letzten Jahrzehnten hin zu immer stärkeren Feldern. Das führte einerseits zu enormen Fortschritten bei Diagnose und Therapie vieler, auch sehr seltener Erkrankungen. Andererseits wurden die Geräte dadurch technisch immer komplexer, größer und schwerer – und zudem teurer. Die Folge: Vielerorts ist der Einsatz moderner, hochauflösender Magnetresonanz-tomographie bisher nicht möglich – etwa in Ländern mit begrenzten finanziellen Mitteln. Aber auch die Anforderungen an die Infrastruktur lassen sich nicht überall meistern und sind nicht nur ein Problem von Schwellenländern. So benötigen die Magnetfeldspulen große Mengen an flüssigem Helium, um die starken Magnetfeldspulen zu kühlen – und das flüssige Helium muss aufwendig und kostspielig erzeugt werden. Hinzu kommt das Gewicht der Geräte von etlichen Tonnen und deren Größe: Diese Aspekte erschweren oder verhindern in vielen Gebäuden aus statischen Gründen eine Installation. Ein weiterer Aspekt ist die Bedienung, für die spezialisiertes Personal benötigt wird – das aufgrund des Fachkräftemangels weltweit immer schwerer zu finden ist.

Deutscher Zukunftspreis 2023 (Featurebild zum nominierten Team) (Foto: Ansgar Pudenz/DZP)
Foto: Ansgar Puden/DZP

Diese Hemmnisse für einen Einsatz der Technik haben die Nominierten aus dem Weg geräumt. Durch die Kombination eines ganzen Bündels von Innovationen ermöglichten sie hochaufgelöste MRT-Untersuchungen bei deutlich schwächeren Magnetfeldern als bislang üblich. Während andere moderne MRT-Scanner Felder mit mindestens 1,5 Tesla Stärke verwenden, kommt die vom Team um Stephan Biber und David Grodzki entwickelte Plattform mit einem Feld von nur 0,55 Tesla aus – und das bei diagnostisch ebenso hochwertigen Bildern und vergleichbar kurzer Messdauer. Um das bei vergleichbaren Messzeiten zu erreichen, nutzten die Forscher neu entwickelte Aufnahmetechniken und Verfahren für die Bildrekonstruktion mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI). Dazu gehören ein bildbasierter Algorithmus, der für eine höhere Auflösung sorgt, sowie ein Ansatz zur direkten Rekonstruktion von MRT-Bildern aus den Rohdaten. So kann beispielsweise das Aufnehmen der Bilder nicht wie bislang üblich nacheinander, sondern über mehrere Schichten gleichzeitig erfolgen.

Eine weitere Neuerung betrifft die Kühlung der Magnete: Dafür entwickelte das Team eine innovative Technologie, durch die sich der Bedarf an flüssigem Helium von bisher bis zu 1.500 Litern auf lediglich 0,7 Liter verringern lässt. Und: Anders als bei konventionellen Geräten befindet sich das Helium in einem geschlossenen Kreislauf, was es etwa nach einem längeren Stromausfall ermöglicht, das System automatisch wieder in Betrieb zu nehmen. Das gezielte Zusammenwirken von Innovationen führte zudem zu einem sehr kompakten Produktdesign und einem recht geringen Gesamtgewicht des Systems, was die Installation deutlich vereinfacht, ohne, dass zusätzliche bauliche Maßnahmen nötig wären. Eine Erleichterung im praktischen Einsatz bringt darüber hinaus ein ungewöhnlich großer Durchmesser der Röhre – dem Bereich, in den sich die Patientin oder der Patient zur Untersuchung legen muss. Bisherige Systeme verfügen nur über Röhren mit 60 oder 70 Zentimeter Durchmesser – eine bedrückende Umgebung, etwa für Menschen mit Klaustrophobie oder Adipositas sowie für Kinder. Das bei Siemens Healthineers entwickelte System MAGNETOM Free.Max bietet erstmals 80 Zentimeter Platz.

Das weltweit erste Exemplar des besonders einfach bedienbaren Systems wurde am Radiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen aufgebaut und von einem Team unter Leitung von Michael Uder erfolgreich im klinischen Einsatz getestet. Inzwischen ist eine neue Klasse solcher MRT-Scanner bereits in rund 40 Ländern installiert, zum Beispiel in Brasilien, Indien, Angola und dem Jemen. Mittelfristig sollen die in dem System steckenden Innovationen auch in andere MRT-Modellreihen von Siemens Healthineers Einzug halten. Mit den neu entwickelten Techniken wurde die Grundlage dafür geschaffen, dass künftig alle Regionen der Erde von den medizinischen Möglichkeiten der Magnetresonanztomographie profitieren können.