Handlungsempfehlungen an die Politik
LEHRKRÄFTEBILDUNG INNOVIEREN
Diese Handlungsempfehlungen an die Politik sind Ergebnisse eigener Analysen und zahlreicher Interviews mit Expertinnen und Experten aus Bildungseinrichtungen, Forschungsorganisationen, Initiativen, Unternehmen oder Verbänden im Rahmen unserer umfangreichen Programm- und Netzwerkarbeit.
Die Einführung von Ein-Fach-Lehrkräften als reguläre Alternative an weiterführenden Schulen zielt darauf ab, den Lehrermangel zu bekämpfen und spezialisierte Fachkräfte besser einsetzen zu können. Hintergrund ist der akute Bedarf an Lehrkräften in bestimmten Fächern, der durch flexibel einsetzbare Ein-Fach-Lehrkräfte gedeckt werden kann. Die Kultusministerkonferenz (KMK) sollte daher die Rahmenvereinbarungen über die Ausbildung und Prüfung für ein Lehramt der Sekundarstufe I und II (allgemeine bildende Fächer/Gymnasium sowie berufliche Fächer/berufliche Schulen) entsprechend ändern.
Analog zu den Lehramtsstudiengängen für Kunst, Musik und Sport sollten die HAWs Lehramtsteilstudiengänge für die beruflichen Fachrichtungen eigenständig einrichten können. An den HAWs studieren häufiger als an den Universitäten Personen mit Berufsschulabschluss, die mit dieser Schulform vertraut sind und bereits eine einschlägige Berufsausbildung absolviert haben. Es wird den Wissenschafts- und Bildungsministerien der Länder empfohlen, die Einrichtung entsprechender Studiengänge an HAW zuzulassen.
Absolventen eines grundständigen Studiums ohne lehramtsbezogenen Abschluss erhalten dadurch die Möglichkeit, in ein Lehramts-Ein-Fach-Studium zu wechseln und sind Studierenden mit einem grundständigen Zwei-Fach-Studium gleichgestellt. Universitäten, Pädagogischen Hochschulen sowie Bildungs- und Wissenschaftsministerien der Länder wird empfohlen, entsprechende Masterstudiengänge zu etablieren, zu akkreditieren und als gleichberechtigen "zweiten Weg" zum Vorbereitungsdienst anzuerkennen.
Damit würde eine verlässliche Rechtsgrundlage für innovative Studienstrukturen und Modellstudiengänge geschaffen, die vom üblichen Studienmodell abweichen, und die Anerkennung der Studienabschlüsse und Freizügigkeit der Absolventinnen und Absolventen gewährleistet. Der Kultusministerkonferenz wird empfohlen, die Rahmenvereinbarungen über die Ausbildung und Prüfung für ein Lehramt um eine Experimentierklausel nach dem Vorbild der Ärztlichen Approbationsordnung zu ergänzen.
Die Zentren für Lehrkräftebildung und Schools of Education müssen so aufgestellt sein, dass sie die Anforderungen an eine qualitätsvolle Lehrkräftebildung gegenüber den Eigeninteressen der Fachbereiche und Fakultäten ihrer Universität durchsetzen können. Dazu zählen unter anderem die Gleichstellung der wissenschaftlichen Leitungen mit den Dekanen, die maßgebliche Mitwirkung an lehramtsrelevanten Berufungsverfahren sowie eine Finanzierung analog zu den Fachbereichen/Fakultäten. Den Wissenschaftsministerien wird empfohlen, die Beteiligung der Zentren an den Berufungsverfahren in den gesetzlichen Aufgabenkatalog aufzunehmen und die wissenschaftlichen Leitungen den Dekanen rechtlich gleichzustellen.
Um die Konkurrenzfähigkeit des Karrierewegs Lehramt (insbesondere für Studierende von Mangelfächern) zu stärken und die Qualität der zweiten Ausbildungsphase zu erhöhen, sollten individuelle Gestaltungsmöglichkeiten, eine kollegiale Begleitung und Mentoring im Vordergrund stehen, die Raum für Selbstreflexion und Exploration bieten. Den Bildungsministerien der Länder wird empfohlen, die Anzahl der benoteten Unterrichtsbesuche zu reduzieren und die Ausbilderinnen und Ausbilder für diese Aufgaben professionell vorzubereiten.
Lehrkräfte sind in allen Bundesländern zu regelmäßigen Fortbildungen verpflichtet. Es fehlt bislang aber an einer verbindlichen Konkretisierung der Fortbildungsverpflichtung, sowohl in Bezug auf den Umfang als auch hinsichtlich inhaltlicher Vorgaben, und auch an finanziellen Mitteln. Den Bildungsministerien der Länder wird empfohlen, die Fortbildungsverpflichtung in den Lehrkräftebildungsgesetzen zu konkretisieren und mit mehr Ressourcen auszustatten.
Aufgrund der langfristigen Konsequenzen bildungspolitischer Entscheidungen sollten diese auf Basis einer möglichst fundierten und zuverlässigen Datenlage getroffen werden. Der Kultusministerkonferenz (KMK) und den Bildungsministerien der Länder wird empfohlen, das Datenmonitoring der Lehrkräftebildung länderübergreifend zu standardisieren. Das betrifft insbesondere die Datenerhebung zum Studienanfang, zum Referendariat und zur Einstellung von Lehrkräften. Zusätzlich sollten diese Prozesse überall digitalisiert und Daten umfassend offen zur Verfügung gestellt werden.
Lehramtsstudierende werden beim Deutschlandstipendium durch die Vorgaben zur Zweckbindung strukturell benachteiligt. Nur maximal zwei Drittel der in einem Kalenderjahr vergebenen Stipendien dürfen mit einer Zweckbindung versehen sein. Für die Deutschlandstipendien, die mit einer Zweckbindung für eine bestimmte Fachrichtung versehen sind, konkurrieren Lehramtsstudierende mit den (Ein-Fach-)Studierenden und haben diesen gegenüber oft das Nachsehen. Überdies macht die Regelung es für Förderer wenig attraktiv, Lehramtsstudierende gezielt zu fördern, weil sie damit rechnen müssen, dass ein Drittel der bereitgestellten Stipendien an Studierende in anderen Studiengängen vergeben werden. Der Bundestag sollte deshalb das Stipendienprogramm-Gesetz um eine Ausnahmeregelung erweitern: Ein höherer Anteil an Stipendien darf dann eine Zweckbindung erhalten, wenn diese gezielt Anreize für Studierende aus Mangelfächern wie Lehramt setzen. Darüber hinaus sollten die Hochschulen verpflichtet werden, im Fall einer Zweckbindung von Stipendien für Lehramtsstudierende die Zentren für Lehrkräftebildung/Schools of Education in die Auswahlentscheidung einzubinden. Alternativ könnte ein besonderes Deutschlandstipendienprogramm für Lehramtsstudierende aufgelegt werden.
Kontakt

Bettina Jorzik
leitet das Fokusthema "Lehrkräftebildung innovieren".
T 0201 8401-103