MINT-Fachkräfte

Ohne MINT kein Fortschritt

Illustration: Bernd Struckmeyer
Illustration: Bernd Struckmeyer
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Klimaschutz, digitale Transformation, Nachhaltigkeit – dies sind drängende Herausforderungen der Gegenwart, mit denen sich die Gesellschaft derzeit beschäftigt. Um dafür gewappnet zu sein, sind Ingenieurinnen und Ingenieure, Meisterinnen und Meister, Technikerinnen und Techniker sowie Facharbeiterinnen und Facharbeiter gefragt. Sie sollen beispielsweise Konzerne und Firmen klimafreundlicher machen, die Produktion ressourcenschonender, smarte Steuerungen für Elektroautos entwerfen, Big Data analysieren oder für mehr Cybersicherheit von Unternehmen sorgen. Und bei den Themen der Zukunft wie autonomes Fahren, Flüge ins All, der Einzug von Robotern und virtueller Realität in den Alltag, die noch unentdeckten Potenziale der künstlichen Intelligenz oder die Nutzung von Quantencomputern als neuer Treiber der Informationstechnologie geht es ohne die Arbeitskräfte aus dem MINT-Bereich, also der Mathematik, der Informatik, den Naturwissenschaften und der Technik, nicht voran.

Doch es gibt zu wenige von ihnen in Deutschland. Nachzulesen ist das zum Beispiel im „MINT-Frühjahrsreport 2022“, den das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Ende Mai veröffentlichte. Demnach fehlten im April 320.600 MINT-Arbeitskräfte, so viele wie noch nie im Monat April. „Dass es an Arbeitskräften mangelt, ist kein neuer Befund. Doch die Zahlen aus dem April waren sehr erschreckend“, sagt Axel Plünnecke. Der Ökonom leitet am IW in Köln das Kompetenzfeld „Bildung, Zuwanderung und Innovation“. Zwar werde sich diese MINT-Lücke aufgrund des konjunkturellen Einbruchs durch den Ukrainekrieg sehr wahrscheinlich noch etwas reduzieren, prognostiziert er. Doch strukturell werde es weitere Engpässe bei den MINT-Arbeitskräften geben.

„Wir müssen die Neugierde an den MINT-Fächern bei Kindern und Jugendlichen wecken und fördern.“

Karin Prien (Foto: Frank Peter)
Karin Prien (Foto: Frank Peter)
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Karin Prien
Präsidentin der Kultusministerkonferenz

Von der Schule zur Hochschule - die MINT-Bildung muss besser werden

Die Suche nach den Gründen für diese strukturellen Probleme stößt hierzulande in schon länger bekannte Gefilde vor. Sie beginnen in der Schule, wo die Pandemie mit dem wochenlangen Unterrichtsausfall die Sorgen noch verstärkt hat. Im Fach Mathematik haben Kinder bis zum Ende der Grundschule Lernrückstände aufgebaut, die zehn bis 13 Lernwochen entsprechen, heißt es etwa im MINT Nachwuchsbarometer. Wenig verwunderlich, dass laut MINT-Stimmungsbarometer aus dem August 2022 lediglich rund 40 Prozent der Befragten die Qualität der MINT-Bildung im schulischen Bereich als positiv beschrieben. Zudem verlassen derzeit die geburtenschwachen Jahrgänge die Schulen. Die 18- bis 19-Jährigen, die 2021 die Allgemeine Hochschulreife erworben haben, stammen aus einer Geburtskohorte von nur 719.000 Kindern, die im Jahr 2002 geboren wurden, stellt der Hochschul-Bildungs-Report des Stifterverbandes fest. Zum Vergleich: Die Geburtskohorte des Jahres 1985 lag noch bei mehr als 900.000 Kindern. „Das heißt, in den kommenden zehn Jahren müssen wir uns auf geringe Studienanfängerzahlen in den MINT-Studiengängen einstellen“, folgert Olaf Köller, Psychologe am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN). An den Hochschulen sind die Immatrikulationszahlen vor allem in den Technikwissenschaften schon seit 2011 stark rückläufig, die MINT-Studiengänge leiden unter hohen Wechsel- und Abbruchquoten. „Die Hochschulen müssen die Haltekraft ihrer MINT-Studierenden deutlich erhöhen, sei es durch Brückenkurse, Vorbereitungssemester oder studienbegleitende Tutorien“, fordert deshalb Köller.

Die Not in der Bildung hat auch die Kultusministerkonferenz (KMK) erkannt. „Wir müssen die Motivation und Neugierde an den MINT-Fächern bei Kindern und Jugendlichen entlang der gesamten Bildungskette wecken und fördern“, sagt die KMK-Präsidentin Karin Prien. Das beginne in der Kindertageseinrichtung und ziehe sich bis in die höheren Jahrgangsstufen. Für die KMK-Chefin ist insbesondere die Lehrkräfteausbildung im Fokus. 

 

Der Stifterverband will MINT-Potenziale heben

Der Stifterverband ist überzeugt: Um Wirtschaft und Gesellschaft resilient und zukunftsfähig auszurichten, spielt die MINT-Bildung (MINT= Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) eine entscheidende Rolle. Um die MINT-Potenziale der Gesellschaft zu heben, setzt sich der Stifterverband gemeinsam mit Partnern insbesondere dafür ein

  • ausreichend MINT-Fachkräfte auszubilden, zu halten und mit entsprechenden Zukunftskompetenzen zu qualifizieren,
  • das Verständnis von MINT-Themen insgesamt zu verbreitern und das Vertrauen der Menschen in MINT-Innovationen zu stärken,
  • für ein Gesellschaftsverständnis insbesondere in den jungen Generationen zu werben, das Nachhaltigkeit und technologischen Fortschritt zusammendenkt,
  • disziplinäres Silodenken aufzubrechen und mehr Offenheit und vernetztes Denken zwischen MINT und anderen Disziplinen zu befördern.

In eigenen Programmen und gemeinsam mit wichtigen Partnern engagiert sich der Stifterverband in vier zentralen Handlungslinien dafür, die gesellschaftlichen Potenziale von MINT auszuschöpfen. Eine Übersicht aller Stifterverbands-Aktivitäten gibt es hier.

Weitere Artikel zum Thema MINT und den Aktivitäten des Stifterverbandes gibt es auch im MERTON-Schwerpunkt „Warum MINT-Kompetenzen unverzichtbar sind“.

„Wie Schülerinnen und Schüler die MINT-Fächer wahrnehmen, hängt wesentlich von ihren schulischen Erfahrungen ab. Wenn ihnen der Unterricht Spaß macht und sie sich von ihren Lehrkräften für diese Fächer begeistern lassen, studieren sie ein MINT-Fach oder wählen einen Beruf in diesem Bereich“, sagt Prien. Die KMK hat deshalb Ende 2021 eine Reihe von Vorschlägen entwickelt, wie Mangelfächer im MINT-Bereich gestärkt werden können, damit mehr Abiturientinnen und Abiturienten ein Lehramtsstudium in einem dieser Fächer aufnehmen.

Die Wirtschaft leidet jedoch schon jetzt. „Der Fachkräftemangel, sowohl im akademischen Bereich als auch im Facharbeiterbereich, ist für uns die größte Herausforderung“, bringt es Christina Ramb, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), auf den Punkt. Stellen können nicht nachbesetzt, Aufträge nicht angenommen, notwendige Innovationen nicht weiterverfolgt werden. „Wir brauchen die MINT-Köpfe, um den technologischen Fortschritt voranzutreiben und um im internationalen Wettbewerb zu bestehen“, sagt sie. Offenkundig wird das insbesondere in der Energie- und Elektrobranche, dem IT-Bereich, im Baugewerbe sowie in der Maschinen- und Fahrzeugtechnik. Dort sind die personellen Engpässe der Unternehmen besonders groß.

Grafik: Stifterverband
Grafik: Stifterverband
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„Als rohstoffarmes Land ist Deutschland auf gute Ideen und eine hohe Innovationskraft angewiesen, um auf gesellschaftliche Herausforderungen zu reagieren und wirtschaftliche Wertschöpfung zu schaffen. Dafür sind MINT-Kompetenzen zentral.“

Pascal Hetze (Foto: Damian Gorczany)
Pascal Hetze (Foto: Damian Gorczany)
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Pascal Hetze
Leiter Analysen und Innovationspolitik im Stifterverband

Internationale Fachkräfte gefragt

Allerdings ist es nicht so, dass die jahrelangen Initiativen nichts gefruchtet hätten. Gerade im Ringen um mehr Frauen im MINT-Bereich und auf dem Feld der Zuwanderung sind Erfolge sichtbar. So ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in den MINT-Berufen zwischen Ende 2012 und Ende 2021 um rund 27 Prozent gestiegen. Auch der Anteil weiblicher Studierender hat sich seit 2015 stark erhöht, der Anteil ausländischer Studierender an den MINT-Fächern ebenso. Die Zahl der beschäftigten ausländischen Arbeitskräfte in den MINT-Berufen ist zwischen Ende 2012 und Ende 2021 mit rund 81 Prozent deutlich gewachsen. „Ohne die MINT-Zuwanderungserfolge in den letzten Jahren würden schon heute rund 312.000 MINT-Arbeitskräfte zusätzlich fehlen“, sagt Ökonom Plünnecke. Vor allem den KMU fehlten aber im Unterschied zu den Konzernen oft internationale Netzwerke, um weitere Fachkräfte nach Deutschland zu locken. „Die bürokratischen Hürden, etwa bei der Visumsbeschaffung für eine MINT-Fachkraft aus einem Nicht-EU-Staat, sind immer noch zu hoch“, sagt Christina Ramb von der BDA. Diese Verfahren müssten weiter vereinfacht und beschleunigt werden.

Offensichtlich wird aber auch, dass die Vielzahl an Initiativen immer noch nicht ausgereicht hat, um die Situation im MINT-Bereich fundamental zu verändern. Zuletzt präsentierte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger auf dem Nationalen MINT Gipfel beispielsweise den MINT-Aktionsplan 2.0, für den sie 45 Millionen Euro eingeplant hat. Auch der Stifterverband engagiert sich seit vielen Jahren im MINT-Bereich. „Als rohstoffarmes Land ist Deutschland auf gute Ideen und eine hohe Innovationskraft angewiesen, um auf gesellschaftliche Herausforderungen zu reagieren und wirtschaftliche Wertschöpfung zu schaffen. Dafür sind MINT-Kompetenzen zentral“, sagt Pascal Hetze, der im Stifterverband den Programmbereich „Analysen und Innovationspolitik“ leitet.

Um die Situation im MINT-Bereich zu ändern, ist aus seiner Sicht dreierlei notwendig: „Zum einen gibt es bereits viel Wissen über gute MINT-Bildung aus Bildungsforschung und -praxis, aber es gelingt noch zu wenig, es in den Alltag der Bildungseinrichtungen zu transferieren“, sagt er. Zum anderen müsse sich der MINT-Bereich stärker öffnen gegenüber anderen Disziplinen, um so neue Zielgruppen zu entdecken, die insbesondere an gesellschaftlichen Themen wie dem Klimawandel interessiert seien und die komplexen Herausforderungen unserer Zeit interdisziplinär und vernetzt angehen zu können. Schließlich gelte es, Aktivitäten zu bündeln, um Wirksamkeit zu entfalten – ein Ansatz, den zahlreiche Akteure wie der Stifterverband mit der MINT-Vernetzungsstelle (MINTvernetzt, siehe Kasten) als Plattform für Akteurinnen und Akteure in der MINT-Bildung umsetzen wollen. „Das kann zum zentralen Baustein werden, wie wir künftig wirksamer werden und eine höhere Sichtbarkeit erreichen können“, sagt Hetze.

MINTvernetzt

Die MINT-Vernetzungsstelle, kurz MINTvernetzt, ist die zentrale Service- und Anlaufstelle für die MINT-Bildung in Deutschland. Ihre Aufgaben: die Erkenntnisse aus der Forschung bündelt, Erfolgsmodelle bundesweit bekannt macht und für mehr Austausch unter allen MINT-Aktiven in Deutschland sorgt. Das Angebot wird von der Körber-Stiftung, der matrix gGmbH, dem Nationalen MINT Forum e.V., der Universität Regensburg und dem Stifterverband gemeinsam umgesetzt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

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