Stefan Wegner: Wissenschaft und Eliten in der Kritik

"Die Fähigkeit, miteinander zu streiten, ohne sich zu hassen, ist eine Qualität, die wir mehr brauchen in der Gesellschaft."

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Stefan Wegner: Wissenschaft und Eliten in der Kritik (Video)
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Wer hat schon Lust, sich ständig zu rechtfertigen? Die Wissenschaft muss es, wohl oder übel, denn sie bekommt viel Geld vom Staat – also von den Bürgern. Und die wollen wissen, was damit passiert und fordern einen Dialog ein. Doch damit der auch funktioniert, sind ein paar Regeln zu beachten. Die erklärt Stefan Wegner, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Scholz & Friends. Und er nennt einen triftigen Grund, wieso die Wissenschaft auf jeden Fall das Gespräch mit der Öffentlichkeit suchen sollte.
 

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Autor: Timur Diehn
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Transkript des Videos

Ich glaube, es ist wichtig, dass sich die Wissenschaft deutlich macht, dass sie als eine von mehreren Eliten in der Vertrauenskrise steckt.

Ich glaube, es gibt eine übergreifende gesellschaftliche Entwicklung. Das ist quasi die umfassende Beschleunigung von allem. Das spüren die Menschen da draußen, dass Digitalisierung, Migration, Globalisierung ihr persönliches Leben verändern, und das verunsichert sie. Und sie merken gleichzeitig, dass die Eliten da oben so tun, als hätten sie Antworten darauf, aber sie haben sie eigentlich noch nicht, weil wir alle von dieser Veränderung und der Beschleunigung quasi so überrollt werden, dass wir am Ende noch nicht wissen, wohin die Reise geht. Und das betrifft die Eliten genauso wie die Öffentlichkeit. Daraus entsteht eine Verunsicherung.

Zusätzlich gibt es in dem Verhalten der Eliten, glaube ich, Punkte, die das Vertrauen auch nicht weiter stärken. Und das ist tatsächlich in der Struktur der Eliten angelegt. Es gibt einmal eine institutionelle Unfähigkeit zur Selbstkritik. Was heißt das? Diese Eliten haben sich eingerichtet quasi als Institution in ihrer Rolle, mit ihrer Finanzierung, mit quasi ihren Aufgaben, die sie auch nicht abgeben wollen, wo sie sich sicher sind, dass sie die richtigen sind, und stellen sich deswegen unglaublich ungern zur Disposition. Das tut natürlich niemand gerne, aber das führt gerade in diesem Fall dazu, dass es eigentlich auch eine innere Unfähigkeit gibt, sich selber neu zu erfinden und sich diesen Veränderungen anzupassen. Und das spüren natürlich die Menschen, dass sich um sie herum alles verändert, diese Eliten aber eigentlich so bleiben wollen, wie sie sind und da keine Signale von ausgehen, dass es da eine Bereitschaft gibt, sich zu öffnen. Ein zweiter Punkt, finde ich, der auch die Wissenschaft insbesondere betrifft, ist die Haltung, dass man eigentlich weiß, was gut und richtig ist für die Menschen da draußen und entsprechend auch so kommuniziert. Das ist quasi die Kommunikation von oben herab. Man könnte es auch ein bisschen Paternalismus nennen. Also, wir haben das ja erforscht, wir wissen ja, was die Wahrheit ist. Du da draußen musst sie jetzt eigentlich nur aufnehmen und annehmen und sie nicht weiter in Frage stellen. Und das ist ja auch nachvollziehbar, weil natürlich stehen dahinter sehr viele kluge Menschen mit vielen klugen Interessen. Das ist nur eine Haltung, die in der momentanen gesellschaftlichen Situation, in der wir uns bewegen, einfach sehr schlecht ankommt. Das wollen die Menschen nicht mehr. Also, sie wollen quasi nicht bevormundet werden, und sie wollen nicht gesagt bekommen, was sie denken sollen. Und sie wollen ernst genommen werden. Und das führt dazu, dass man, glaube ich, das eigene Kommunikationsverhalten hinterfragen muss als Wissenschaft, aber auch als Vertreter anderer gesellschaftlicher Eliten. Und ich glaube, ein wichtiger Punkt, das ist die neue Ehrlichkeit, die wir fördern sollten. Das heißt konkret, die Dinge so benennen wie sie sind, nicht um den heißen Brei herum reden, eine Sprache verwenden, die die Menschen da draußen verstehen, Fehler zugeben, die man gemacht hat, und auch sagen, wenn man Dinge nicht weiß. Das ist auch sehr erleichternd übrigens, wenn man sich das traut. Das fällt natürlich den Eliten schwer, dass dann mal zu sagen, aber quasi auch von diesem Alleinvertretungsanspruch abzurücken und zu sagen: Bestimmte Dinge können wir jetzt noch nicht sagen, wissen wir noch nicht. Das ist auch etwas, was Vertrauen einfach schafft und was aufbaut, eine Haltung, die die Menschen auch akzeptieren, indem man eben klar macht: Auch wir sind am Ende nur die Menschen, und wir müssen genauso Fragen stellen und Antworten suchen.

In der Tat ist ja die Erkenntnis, dass es mehr Dialog braucht, nicht neu, und es ist ja tatsächlich auch schon sehr viel unternommen worden und experimentiert worden, und das würde ich auch sagen, ist erstmal nicht falsch. Ich glaube nur, dass ganz viele dieser Dialogformate so angelegt wurden, dass man eigentlich das echte Gespräch nicht wollte, dass es entweder keine echten Mitgestaltungsmöglichkeiten geben sollte in dem Dialog mit der Öffentlichkeit oder dass vielleicht von vornherein eigentlich unklar war: Was möchte man mit diesem Dialog erreichen? Und ich glaube, dass man diese Dialogformate, die im Moment angewendet werden, einfach vor dem Hintergrund nochmal auf den Prüfstand stellen sollte und vielleicht auch manche Dinge dann gar nicht mehr machen sollte, das spart Energien und Ressourcen, und stattdessen überlegen sollte, worin kann ich denn tatsächlich sinnvoll investieren, um einen sinnvollen Dialog zu führen? Ich kann mir auch vorstellen, dass es bestimmte Dinge gibt, wo man auch, Stichwort: Ehrlichkeit, den Menschen sagt: Wir müssen an dieser Stelle keinen Dialog führen. Weil bestimmte Dinge sind einfach so, wie sie sind, und das können wir auch begründen, und darüber können wir auch reden. Aber andere Dinge vielleicht dann umsomehr, wenn es darum geht, die Prioritäten der Bevölkerung aufzunehmen, die ihnen wichtig sind, wenn es um Wissenschaft und Forschung geht. Das, finde ich, ist ein Punkt, wo man die Bevölkerung auf jeden Fall als Resonanzraum mitnehmen sollte, und das muss sich dann aber auch in konkreten Handlungen spiegeln.

Diese Fähigkeit, miteinander zu streiten, ohne sich zu hassen, ist ohnehin quasi eine Qualität, die wir mehr brauchen in der Gesellschaft. Und das ist natürlich auch erstmal unbequem. Und das kann auch nicht jeder. Und ich glaube, in dieser Rolle sind vor allem die Vorsitzenden der großen Wissenschaftsorganisationen, die Präsidenten der Hochschulen, gefragt, die das entsprechend vorleben müssen und die sich auch trauen müssen, da für ihre Überzeugungen zu streiten, nicht im Sinne, dass ich bestimmen will, was die Leute denken sollen, aber indem ich klar mache, warum bestimmte Dinge so getan werden, wie sie getan werden in der Wissenschaft. Und das kann natürlich so kritische Themen betreffen wie Tierversuche. Das können natürlich aber auch andere gesellschaftlich umstrittene Themen sein, ob es jetzt die Mobilität der Zukunft betrifft oder die Themen Klimaschutz und andere. Und das passiert aus meiner Sicht noch zu wenig. Und das hat auch viel damit zu tun, dass, wenn man das nicht tut, diesen Diskurs andere führen. Und das führt eben dazu, dass die Wissenschaft insgesamt einfach weniger Sichtbarkeit kriegt dafür.

Es gibt auf jeden Fall ja eine sehr enge Verflechtung zwischen der Wissenschaft und der Politik alleine durch die Finanzierung. Die gibt es in ähnlicher Hinsicht natürlich auch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Stichwort auch: Drittmittelfinanzierung und andere Themen. Und das ist erstmal grundsätzlich auch nicht falsch und nicht schlecht. Worauf es, glaube ich, ankommt, um vertrauensbildend zu wirken, das ist, dass man das sehr, sehr transparent macht. Dass man auch erklärt, woher das Geld kommt, wofür es ausgegeben wird und dass es dort richtig eingesetzt wird, und dass man den Menschen es nicht zumutet, diese Informationen mühselig zu recherchieren, weil das wird niemand tun, und dann werden eher die eigenen Vorurteile bestätigt, sondern dass man das offen anbietet und auch einfach erklärt, dass von vornherein offensichtlich ist, dass man da nichts zu verbergen hat.

Das sind ganz einfache kommunikative Regeln, so wie man auch tatsächlich einen Freund behandeln würde oder einen guten Bekannten, so sollte man eben auch mit der Öffentlichkeit kommunizieren. Und das reduziert erstmal Komplexität und schafft gleichzeitig Vertrauen.